Die Wahrnehmung des Pferdes Teil 1: Geruch
Die Wahrnehmung des Pferdes unterscheidet sich in ziemlich wesentlichen Punkten von unserer. Das dürfte keine große Überraschung sein. Was mich aber durchaus überrascht hat, sind einige Konsequenzen, die sich aus der Andersartigkeit der equiden Sinneseindrücke ergibt.
Zumindest bei mir war es so, dass ich zwar einiges über die Unterschiede wusste, aber dass ich von diesem Punkt aus weiter gedacht hätte, kann ich nicht behaupten. Was heißt das für unser Zusammenleben, unsere Zusammenarbeit? Darum soll es in dieser mehrteiligen Reihe über die Sinne des Pferdes gehen. Jede „Folge“ wird sich um einen der sechs Sinne drehen. Sechs? Ja, sechs. Lasst euch überraschen.
In dieser ersten Folge geht es um den Geruchssinn des Pferdes. Ich fange mit dem Geruch an, weil dieser Sinn vermutlich die wenigsten Implikationen für unser eigenes Verhalten hat.
Pferde haben einen hervorragenden Geruchssinn. Sie riechen viel mehr als wir. Pferde riechen Wasser aus erstaunlicher Entfernung. Auf einer kräuterbewachsenen Wiese kann es manchmal schwierig sein, ein Schleckermaul davon abzuhalten eine kleine Stärkung für den Weg mitzunehmen.
Doch unsere Pferde nehmen noch viel mehr über ihre empfindlichen Nasen wahr. Einander zum Beispiel. Pferde erkennen sich vor allem am Geruch, der Geruch entscheidet über Freund oder Feind und ein Hengst erkennt die rossige Stute an ihrem unverwechselbaren Duft.
Und es gibt noch etwas, was ein Pferd am Geruch erkennt: Uns! Und das wiederum hat eine sehr wichtige Konsequenz. Einem anderen Menschen geben wir zur Begrüßung die Hand, ein Pferd sollten wir an uns riechen lassen. Wenn wir uns dem Pferd mit einem Gegenstand nähern, dann wird es erstmal versuchen daran zu riechen. Das sollten wir zulassen. Wenn wir ein Hindernis überqueren möchten, riecht ein Pferd erst einmal daran. Das sollten wir zulassen. Wenn das Pferd gelernt hat auf den Menschen zu hören, dann wird es natürlich auch über das Podest oder die Brücke gehen, wenn wir es nicht riechen lassen. Doch wesentlich stressfreier für das Pferd wird es, wenn wir das zulassen. Wenn es das Hindernis kennt, dann wird es auch ohne zu schnuppern rübergehen. Aber um ihm die Angst vor etwas Neuem zu nehmen, ist die Pferdenase unser Freund.