Das hohe Gras wiegt sich im Wind und streichelt über mein Gesicht. Ich liege auf der Weide und genieße die Wärme der Abendsonne auf meinem Rücken. Hinter mir schnaubt es. Nein, ehrlich gesagt ist es eigentlich mehr ein Grunzen. Ein wohliges Grunzen. Um mich herum liegt die ganze Herde. Nur die Erwachsenen wachen mit halb geschlossenen Augen über uns.
Obwohl die Gruppe erst seit einigen Tagen zusammen läuft, sind alle vollkommen entspannt miteinander. Die fünf neuen Absetzer sind die ersten gewesen, die sich hingelegt haben. Auch Taajwar, der einstmals so scheue Friese, liegt jetzt lang ausgestreckt im Gras und grunzt, weil alles so schön ist. Ich kann ihn verstehen. Ich seuftze leise und lehne mich an Soudis Schulter. Er schließt die Augen und ich verscheuche eine Fliege von seinem Hals. Seine Nähe wärmt mich angenehm in der allmählich kühler werdenden Abendluft. Über uns fliegt hoch oben ein Flugzeug. Ich überlege kurz, wohin es wohl fliegt, denke an kristallklares Wasser und weiße Strände. Dann schaue ich Soudi an, lausche seinem ruhigen Atem und will nirgendwo anders sein auf der Welt. Nirgendwo könnte es schöner sein als hier, in diesem Moment, zwischen den Pferden im Gras, die Abendsonne im Gesicht und die wärmende Schulter meines besten Freundes im Rücken. Meine Hand streicht über das seidenweiche Fell an Soudis Hals und er schnaubt leise. Seine Unterlippe ist jetzt ganz entspannt, sein Atem ruhig und sein Kopf sinkt ins Gras.
Ich habe meinen Arm um ihn gelegt und vergrabe das Gesicht in seiner Mähne. Sie riecht jetzt nicht mehr so intensiv nach Heu, wie sie es im Winter tut. Jetzt riecht sie viel frischer. Nach Sommer und Sonne und Leben.
In einiger Entfernung läuft ein Hase über die Weide und auf dem benachbarten Feld hüpfen Rehe durch die wachsende Ernte, während sich der Himmel langsam rot und dann lila färbt. Ich höre nichts als den Atem der Pferde und das Rascheln der Blätter im Wind. Im Film wäre mir diese Szene wahrscheinlich zu kitschig. Gelebt fühlt sie sich aber ziemlich gut an.
Ganz kurz frage ich mich, wie sich jemand darüber lustig machen kann, dass man mit seinem Pferd auf der Weide sitzt und nichts tut. Dann tut es mir leid, dass es so viele gibt, die das hier nie erleben werden. Und dann habe ich sie auch schon vergessen, während ich die Augen schließe und mich an Soudi schmiege. Aneinander gekuschelt dösen wir, bis die Sonne hinter dem nahen Wald verschwindet und es mir schließlich doch zu kalt wird. Nach und nach stehen wir alle auf, die Pferde beginnen zu grasen und ich verabschiede mich. In mir und um mich ist es so ruhig, dass man das Gras im Wind hört – es klingt wie Meeresrauschen.
13 comments
Liebe Sophie,
wie schön :). Das sind diese ganz besonderen Momente, die man erleben darf, wenn man sich die Zeit nimmt.
Mir ging es letztens ähnlich. Ich hatte Parcival auf dem Roundpen frei gelassen und zum ersten angrasen durfte er das bisschen Gras was dort in der Mitte steht fressen. Es war schönes Wetter ich bin auf dem Sandboden gesessen, mein kleiner Hund lag neben mir, Parcival kam immer wieder zu mir, ließ sich kurz kraulen und hat dann wieder Gras gefressen. Es war so eine schöne entspannte Stimmung und ich dachte nur, ich brauch nicht wegfahren um das Paradies zu finden, ich habe es schon gefunden.
Liebe Grüße
Miriam
Liebe Miriam,
„ich brauch nicht wegfahren um das Paradies zu finden, ich habe es schon gefunden“. Damit hast Du es genau auf den Punkt gebracht. <3 So ist es und ich bin so unheimlich dankbar, dass ich solche Momente erleben darf!
Ganz liebe Grüße auch an Deine tierischen Gefährten,
Sophie
Man spürt beim Lesen die Sonne, den Duft und die Liebe….
Meine Beobachtung als Psychologin warum Menschen über „Wiesensitzer/ Genuss-PferdeMenschen“ lachen… Sie können das Leben nicht genießen…
Der Genuss geht nicht, weil zu viel innerer Stress vorhanden ist. Dann ist tun, machen, reiten/ mit dem Pferd arbeiten, angenehmer. Im TUN müssen die vorhandenen Gefühle nicht gefühlt werden. Ängste, Trauer und Wut werden unterdrückt. Man möchte sich dafür keinen Raum nehmen, muss diese Gefühle in der Ruhe nicht fühlen.
Wünsche allen denen es möglich ist…. SEHR viel Genuss- und Musemomente!!
Hi Angelika,
das ist ja interessant aus Psychologen-Sicht. Und klingt auch sehr einleuchtend. Ich selbst habe auch eine ganze Weile dafür gebraucht. Inzwischen kann ich mich aber meistens ganz fallen lassen und habe kein Problem mehr mit dem Nichtstun. 😀 Viele Freunde und Bekannte von mir meditieren auch. Da habe ich auch schon oft gehört, dass sie das am Anfang viel Überwindung gekostet hat. Für mich sind solche Stunden auf der Weide auch sowas wie Meditation. Aber ich glaube dort ist es viel leichter, weil die Gedanken einen Fokus haben.
Vielen Dank auf jeden Fall und Dir auch viele, viele solcher Momente! 🙂
Liebe Grüße,
Sophie
🙂 Ich habe es oft schon bei füttern… hatte mir lange den Stall zu Hause gewünscht..Im Sommer sind meine Jungs ganz draußen, aber ab Herbst… im Schlafanzug raus… begrüßt werden mit Wiehern, dann schau ich oft schon 5 min beim Fressen zu…der Duft von Pferd, Kauen, Brummeln, Duft von unserem tollen Futter… meine Morgenmeditation 🙂 🙂
Oh man, was für eine wunderschöne Vorstellung! 😀 <3 Toll, dass Du Deinen Traum wahr gemacht hast!
Hach, das ist so schön geschrieben liebe Sophie <3
Wie ein Kurzurlaub vorm PC 😉
Oh wie schön wenn ich Dich ein bisschen mitnehmen konnte. 🙂
Hach, das ist nicht Balkonien sondern Koppelkonien 😉 ich sehe richtig den Wind vor meinem inneren Auge durch deine und Soudis Mähne fahren. Das klingt schön! Ich beneide Dich und werde an Dich denken, wenn der Wind meiner Jungstute das erste Mal in Deutschland durchs Haar fährt. Ganz liebe Grüße, Petra
Jaa und Koppelkonien ist noch viel besser. Freu Dich drauf, das wird wuuunderschön! Ich freue mich auch schon unheimlich auf Deine Berichte. 🙂 Ist gar nicht mehr lang, oder?! 😀
Auf dem Feld neben der einen Koppel hier kreiste jüngst ein Milan über den Heubergen, die da zum Trocknen lagen. Auf der Koppel selbst spielen die Feldhasen. Über die andere rennt ein Fuchs und mit ihm die Pferde, weil sie sich erschrecken. Von den Rehen fange ich nicht an – und auch nicht das ganze Vogelvolk, das hier unterwegs ist 😀 Einfach so gechillt. Ich bleibe ein Landei.
Großartig!
Ich liiiiiiebe die Zeit in der die Pferde auf der Sommerkoppel sind. Es gibt nichts schöneres als Abends, wenn die Sonne langsam untergeht und die Luft sich etwas abkühlt, nochmal zur Koppel zu spazieren und die Pferde zu beobachten. Das könnte ich wirklich stundenlang machen.
Ich habe bisher keinen Ort auf der Welt gefunden an dem ich so ruhig, entspannt und glücklich bin wie auf der Koppel zwischen den Pferden.
Obwohl .. wenn ich so darüber nachdenke .. es gibt doch noch einen Ort an dem ich mich genauso ruhig und entspannt fühle – am Meer! Wenn ich am Strand sitze kann ich stundenlang auf Meer sehen ohne das mir langweilig wird.
Das ist ja verrückt! 😀
Ich wünsche Dir noch viele weitere tolle Koppelmomente!
Lg
Caro
Bin gerade spontan auf deinen Blog gestoßen und muss sagen, dass ich es total mag wie du schreibst. Also die Art und Weise.
Bin total begeistert. 🙂
Liebe Grüße
Jenny