Totilas ist fertig mit dem Sport. Aber der Sport noch lange nicht mit ihm.
Totilas‘ Comeback erhitzt die Gemüter und spaltet momentan das Reitervolk in zwei Lager. Die Einen, die fordern dem Paar Rath-Totilas mehr Zeit zu geben und den ersten Auftritt nach zwei Jahren Turnierpause als Erfolg betrachten. Und die Anderen, die bei demselben Auftritt ein verspanntes Pferd ohne Takt und Elan sahen und nun die Pensionierung des Wunderhengstes Totilas fordern.
Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich zur letzteren Gruppe gehöre. In den Kommentaren zu einer Analyse des Rittes durch die Dressur Studien fand ich die Frage, wer denn nun Recht habe: Einflussreiche Trainer wie die Bundestrainerin Theodorescu oder andere Trainer und Medien wie die Dressur Studien (und andere). Theodorescu befand nach Totilas Comeback-Ritt, dass er ebenso ein Kandidiat für Weltmeisterschaften und Olympia wäre wie andere Spitzenpferde. Und die Richter des Turniers befanden, dass Rath und Totilas über die namenlose Konkurrenz triumphierten. Aber wie kann das sein bei so einem Ritt? Haben die einen anderen Ritt gesehen als die Dressur Studien und ich?
Totilas war die Lichtgestalt des Dressursports
Ich habe über diese Frage ein wenig nachgedacht und finde, es ist wichtig einmal darüber zu sprechen was Totilas für den Reitsport bedeutet (hat). Ich erinnere mich noch daran, als ich Totilas das erste Mal im Viereck gesehen habe. Damals wurde er noch von Edward Gal geritten und ich hatte noch nicht allzu viel Ahnung von den Trainingsmethoden mit denen Totilas ausgebildet wurde. Was ich sah war ein Pferd, das in das Viereck kam und alle Blicke auf sich zog. Das Stille ins Publikum zauberte und nach seinem Ritt frenetisch gefeiert wurde. Dieser Hengst, das Wunderpferd Totilas, hatte eine Ausstrahlung wie kein zweiter. Und der Erfolg gab ihm und den Methoden seiner Trainer Recht. Er wurde bald zum Star der Dressurszene und zum Jahrhunderthengst. Und diese Berühmtheit blieb nicht in der eingefleischten Dressursezene, wie das bei anderen Spitzenpferden war. Totilas wurde auch jenseits des eingefleischten Sports ein Star. Auch die Massenmedien berichteten plötzlich nicht nur zu Weltmeisterschaften und Olympia über den Reitsport, sondern wann immer Totilas die Bildfläche betrat. Einen solchen Hype hatte der Pferdesport noch nie erlebt.
Der Reitsport ist eine Industrie und Totilas ein Spitzenprodukt
Was bedeutet es für einen Sport, wenn er plötzlich so viel neue Aufmerksamkeit bekommt? Geld. Zusätzliche Werbeeinnahmen für die Turnierveranstalter zum Beispiel, Preisgelder, Decktaxen in aastronomischer Höhe und ebenso astronomische Preise für Spitzenpferde des Reitsports. 5 Millarden Euro Umsatz werden im Reitsport Jahr für Jahr umgesetzt. Das sind keine Kleckerbeträge, das ist das große Geld. Reitsport ist vor allem ein Business, eine Industrie. Ludger Beerbaum bringt den Reitsport mit chinesischen Partnern in das Reich der Mitte und macht dann Millionen mit seinen Nachwuchspferden in diesem neuen Absatzmarkt. In Frankreich werden für 200.000 € Spitzenpferde geklont.* In jedem Sport, sei es der Rad- und Schwimmsport oder die Leichtathletik, werden immer größere Leistungen gefordert, immer absurdere Rekorde gefeiert. Warum sollte es im Reitsport anders sein? Auch hier wird mit harten Bandagen um die Aufmerksamkeit der Zuschauer gekämpft und so kam es immer wieder zu unschönen Doping-Fällen. Und dann kommt da dieses Wunderpferd und wird zur Lichtgestalt eines ganzen Sports.
Totilas ist nicht nur das Wunder-, sondern vor allem das Millionenpferd
Das weckt Begehrlichkeiten. Die Beträge, die fallen, wenn man von Totilas spricht lassen ahnen, welcher Druck dahinter steht. 10 Mio. Euro sollen die Raths für den Ausnahmehengst bezahlt haben. Sein Samen soll 8.000 Euro wert sein und ein Kaufpreis von 40.000 Euro für ein Totilas-Fohlen ist keine Seltenheit.* Diese Summen lassen keinen Platz für Fehler oder einen schlechten Tag. Wenn solche Beträge im Spiel sind und der sportliche Erfolg ausbleibt, dann ist irgendwann die Geduld am Ende und es müssen andere Trainingsmethoden her. Wer kann es sich schon leisten 10 Mio. Euro untätig im Stall stehen zu haben?!
Warum schauen die Offiziellen des Reitsports weg, wenn es um Totilas geht?
Aber warum schauen auch offizielle Vertreter, Trainer und Richter des Reitsports weg, wenn Totilas sein Comeback mit Taktproblemen und offensichtlichen Verspannungen „feiert“? Die Antwort gibt Klaus-Martin Rath in der oben verlinkten ZDF-Reportage: „Was Besseres konnte dem Reitsport […] nicht passieren als so ein Pferd zu haben.“ Nach Dopingskandalen, kritischer Berichterstattung und mehreren tödlich verunglückten Pferden in den letzten Monaten ist Totilas genau das was der Reitsport braucht: Die Lichtgestalt, die den Sport wieder aus dem Tal führen kann. Zahllose Medien haben schon über dieses Comeback berichtet, obwohl es in so kleinem Rahmen stattfand und natürlich ist „Das Wunderpferd Totilas siegt wieder“ eine viel bessere Geschichte als „Totilas ist bei einem Turnier in Belgien mit namenloser Konkurrenz im Mittelfeld gelandet“. Wundert es wirklich, dass man aus offiziellen Kreisen nichts zu den offensichtlichen Schwächen bei diesem Auftritt hört? Nein, die Hoffnung, dass dieser Ausnahmehengst irgendwann wieder so hell für den Sport strahlen wird und all das schöne Geld in die Kassen spült ist einfach zu groß, um gegen das Gesehene vorzugehen. Da ist zu viel Geld im Spiel, eine Industrie, die keinen Platz für Fehler oder schlechte Tage lässt. Totilas ist fertig mit dem Sport, aber der Sport noch lange nicht mit ihm.
Was sagst Du zu Totilas‘ Comeback und die Richtung, die der Reitsport eingeschlagen hat?
P.S.: Wer Totilas‘ Entwicklung einmal von Anfang an verfolgen möchte, dem kann ich diesen Artikel vom Dressurpferdeblog ans Herz legen: „Totilas – oder wie aus einem imposanten Hengst eine arme Kreatur wurde“
*Quelle: ZDF Reportage „Millionengeschäft auf dem Rücken der Pferde“, siehe Video.
3 comments
Hi Chevalie
Ich finde es traurig, was aus dem Reitsport geworden ist. Das sieht man in der Doku ,,Du armes Pferd geliebt, gequält, gedemütigt“ sehr gut, dass sehr oft die Pferde nur dazu da sind, berümht zu werden und Geldzu bringen.Bei euch in Deutschland wird ein Turnierpferd durchschnittlich nur 7 Jahre alt hab ich gehört. Ich und viele meiner Schulkolleginnen finden, dass Totilas es verdient hat, auf Gut Aiderbichl zu kommen! Ich meine, ers steht 20 Stunden in der Box, 2 Stunden training, 1 Stunde spazieren und 1 stunde am strick auf der weide grasen lassen. Sein Reiter macht das angeblich nichtmal selber! Der trainiert nur. Von dem was man auf den Turnieren sieht ganz u schweigen. Wieso kriegt der für seine verspannte stolpershow die er da blind und ohne luft mit falsch verschnallter kandare abzieht, soviel geld?!? Nur weil er ein Rappe ist und die so selten sind? Wieso kostet der überhaupt 10 Millionen?! Der ist doch genauso ein normales pferd wie dein Soudi (ich glaube soudi mag den namen nicht, weil der nach suppe klint xD) Ich finde sowas echt traurig.
Liebe Grüße Vicki
Liebe Vicki,
das geht mir genauso. Ich finde es unheimlich traurig wie wir wegen des Geldes mit Lebewesen umgehen. Das mit dem Alter der Turnierpferde wusste ich noch nicht. Aber ich kann es mir gut vorstellen. Wird dann sicher nicht nur in Deutschland so sein. Und warum diese seltsamen Bewegungen von den Richtern derart positiv bewertet werden, das will mir auch nicht in den Kopf. Aber leider ist das ja nicht nur in der Dressur so. Wenn man sich die großen Westernturniere anschaut, dann wird einem auch ganz anders. Und die schlimmsten gewinnen dann natürlich das Turnier. Irgendwas ist da gewaltig schief gelaufen…
Ich hoffe inständig, dass in den nächsten Jahren mal ein Umdenken einsetzt. Aber das kann nur von uns Zuschauern ausgehen, fürchte ich. Oder wir müssen alle Richter (oder Profireiter) werden und es besser machen… *hmmm*
Soudi hat sich inzwischen übrigens mit seinem Namen arrangiert und hört darauf besser als auf Massoud. 🙂 <3
Liebe Grüße,
Sophie
Hi Chevalie
Ich will später sowieso hin und wieder mit meinen Pferden Turnierreiten.Ich werd Schauspielerin, kaufe mir die Wiese in meiner Nachbarschaft, kaufe mir meine 2 Lieblingspferde aus meinem Reitstall, zwei Mustangs und vielleicht noch ein Pferd aus dem Tierschutzverein, bilde die gebisslos aus, mach Bodenarbeit, Freiheitsdressur, Zirzensik, Spaziren gehen (nur mit nem halsring, dann aufspringen und damit zurück zur wiese reiten und bei den Spaziergängern ageben xD) Wund Wanderreiten (und noch mir 2 Hundis kaufen <3) Und du könntest Richterin werden! xD
Ich empfehle dir den Film wirklich sehr! *daumen hoch*
Meine Omi sagt immer: Überall wo der Mensch seine Finger im Spiel hat, läuft was schief.
Und im Reitsport ist sowieso was schief gelaufen. Und, wieso kriegen eigentlich die Menschen die Pokale und den Applaus?!? Das Pferd hat ja das meiste gemacht?!?
Schön, dass sich deine Suppe mit seinem Naman arrangiert hat xD
Liebe Grüße,
Vicki <3