Hier in Hamburg gibt es einen Stall, der sich der Akademischen Reitkunst nach Bent Branderup verschrieben hat. Die Stallbesitzerin ist ausgebildete Trainerin der akademischen Reitkunst und Bent Branderup selbst kommt wohl meist zwei Mal im Jahr zu Besuch und unterrichtet seine Schüler höchstpersönlich. Letztes Wochenende war es wieder soweit.
Ich muss ehrlich sagen, dass ich von seiner Art der Ausbildung noch nicht so wirklich viel Ahnung hatte, aber ich habe ein paar Videos von ihm gesehen und hier und da was über ihn gelesen – und ich fand ihn interessant. Grund genug, um sich gleich mal als Zuschauer anzumelden. Wie könnte man einen besseren Eindruck bekommen?! Einen richtigen Kursbericht kann ich leider nicht schreiben, da ich nur am zweiten Tag dabei sein konnte. Aber die vielen Impressionen und ersten Eindrücke, die ich mitgenommen habe, die möchte ich Dir nicht vorenthalten.
Die Einführung
Der Sonntag fing mit einer Stunde Theorie an, in der es vor allem um Grundsätzliches ging. Wie sind wir dem Pferd ein guter Lehrmeister? Wie muss ein Pferd gehalten werden, um ein guter Schüler zu sein? Wie lernt das Pferd zu lernen? Und wo trainiere ich was? Damit hatte er mich schonmal. Leider weiß ich natürlich nicht was am vorherigen Tag noch thematisiert wurde, aber dass er sich auch mit so grundsätzlichen Fragen beschäftigt, das gefiel mir sehr. Der ein oder andere Trainer ist ja nur auf das fokussiert was er unterrichtet, nämlich das Reiten. Das ist bei Branderup definitiv anders. Auch er sagte zwar, dass das Reiten sein Fachgebiet sei und eben das was er unterrichte, aber er betonte, dass das Drumherum ebenso wichtig sei.
Nach der Theorie ging es mit der Praxis los. Er sagte, dass er normalerweise nicht so viele neue Schüler dabei habe, aber diesmal waren es ungefähr die Hälfte. Ich fand das super, denn auch wenn die erfahreneren Schüler schon sehr schön anzusehen waren, finde ich es immer sehr aufschlussreich die neuen zu sehen. Der Einstieg in eine Trainingsmethode ist meiner Meinung nach die Zeit, in der man am meisten über die Art des Trainings erfährt.
Der praktische Unterricht
Als Bent Branderup ankündigte, wie er den Unterricht gestalten wolle, war ich zuerst skeptisch: Die Schüler sollten selbstständig eine Trainingseinheit mit ihrem Pferd gestalten, er würde dabei Kaffeetrinken und im Anschluss würden sie gemeinsam besprechen, wie das Pferd-Reiter-Paar am besten weitermachen sollte. Das schien mir zunächst arg frei. Aber es stellte sich schnell heraus, dass er zum Kaffetrinken nicht so wirklich kommen würde und dass die freie Gestaltung des Unterrichts ebenfalls sehr aufschlussreich war. So konnte er nicht nur feststellen wie Reitersitz und -einwirkung aussahen, sondern auch ob der Lehrer in der Lage war ein vielseitiges und sinnvolles Training aufzubauen. Mit den fortgeschrittenen Reitern arbeitete er an Feinheiten wie der Optimierung der Gewichtsverlagerung. Mit Unerfahreneren besann er sich auf Grundsätzliches und bezog auch die Arbeit am Boden mit ein. Ich muss sagen, dass mir alle Reiter an diesem Tag sehr gut gefallen haben. Nicht weil es bei allen perfekt geklappt hätte, sondern weil alle fein einwirkten und die Atmosphäre insgesamt sehr ruhig, humorvoll und sogar irgendwie demütig war. Wenn ich ehrlich sein soll, dann hatte ich viel Ehrgeiz erwartet – wahrscheinlich war der auch da, aber auf eine sehr angenehme Art. Das Wohl des Pferdes stand im Vordergrund, der Ehrgeiz ging gefühlt eher zum gesunden Reiten als zu perfekten Lektionen.
Der Lehrer lebt die Philosophie vor
Warum war das so? Ich denke, weil Bent Branderup das auch so vorlebte. Auch während der Unterrichtseinheiten schweifte er immer wieder mal zu kleinen Anekdoten ab, die allgemein Wissenswertes rund um das Pferd oder das Reiten vermittelten. Auch wenn er direkt unterrichtete, dann tat er das mit Humor und ohne jeden Anflug von Ungeduld oder Ärger. So herrschte eine sehr entspannte und freundliche Atmosphäre. Beeindruckend fand ich auch, dass selbst sehr junge Pferde mit ganz feinen Signalen geritten wurden. Das klappte zwar nicht immer, aber Bent Branderup betonte immer wieder, dass die sorgfältige Vorbereitung das A und O sei und dass es keinen Sinn mache, die Hilfen zu verstärken, wenn das Pferd sie nicht versteht. Hier hat sich mir die Anekdote von seiner dänischen Großmutter, die deutsche Touristen immer laut auf dänisch anbrüllte, weil sie sie ja nicht verstanden, auch wirklich eingeprägt. Und auch die Konsequenz daraus: Das Verhalten seiner Großmutter hatte zur Folge, dass die deutschen Touristen entweder so taten als verstünden sie sie oder dass sie seine Großmutter nach Möglichkeit mieden. Genau so sehen auch die Reaktionen unserer Pferde aus.
Was habe ich mitgenommen
Ich habe auch als Zuschauer viel für mein eigenes Reiten mitgenommen, auch wenn ich jetzt nicht behaupten würde, dass die paar Stunden mir gezeigt haben wie es geht. Aber einige Tipps werde ich sicherlich umsetzen können und ich finde solche Kurse – auch wenn man nur zuschaut – sowieso immer sehr wertvoll, um neue Bilder und Ideen für seine eigene Arbeit zu bekommen. Man muss ja schließlich auch wissen wie es mal aussehen soll.
Vor allem habe ich aber viele Denkanstöße und Arbeit für den Kopf mitbekommen. Denn der Maestro hält mit seiner Meinung nicht hinterm Berg und kann wunderbar reden. Seine umfassende Bildung in der klassischen Reitkunst und den Strömungen, der sie im Laufe der Zeit unterlag, bildet natürlich eine gute Basis. Man merkt eigentlich in jedem Augenblick, wie umfassend er Pferde, Reitkunst und alles drumherum studiert hat. Dementsprechend unterhaltsam hat er viel Wissen und Ideen in diesem Tag verpackt und den Abschluss bildete ein rhetorischer Rundumschlag, in dem er über die Reitkunst, politische Strömungen, Kunst und ihren Einfluss, die Berufsreiterei, Körpersprache und Walt Disney philosophierte.
Gehe ich wieder hin?
Ja, definitiv. Ich mag Worte und Menschen, die so gut mit ihnen umgehen können. Allein deshalb schon. Aber auch, weil ich mehr über diese Art des Reitens und die Herangehensweise erfahren möchte. Ob das genau das ist was ich später mal mit Soudi machen möchte, das weiß ich noch nicht. Aber ich habe auf jeden Fall schon einmal für mich herausgefunden, dass das eine der Lehren ist, die es sich lohnt genauer anzuschauen. Zunächst werde ich jetzt erstmal sein Buch lesen (das rezensiere ich dann natürlich auch für Dich!). Sehr gut gefallen hat mir die Einstellung zum Pferd und auch zum Reiten insgesamt. Bent Branderup legt Wert auf den Erhalt der Reitkunst, wobei die wirkliche Reitkunst für ihn nichts mit der heutigen Berufsreiterei zu tun hat. Klasse finde ich auch seine Vision, die er immer wieder beschrieben hat: Nämlich dass die besten Reiter aus allen Disziplinen zusammen kommen sollten, um gemeinsam den besten Weg für die Reitkunst zu finden – ohne Dogmatismus und Lagerkriege. Was man mit so einer „Konferenz“ bewirken könnte, das würde ich auch gern erleben. Diesem Gedanken folgt offenbar auch seine Ritterschaft, in der die besten Schüler der Akademischen Reitkunst zusammenkommen, aber schön wäre es natürlich, wenn es das auch über die Grenzen hinweg geben würde. Bent Branderup selbst kann man tatsächlich nicht den Vorwurf machen seine eigene Lehre dogmatisch über alle anderen zu stellen. Mehr als einmal betonte er, dass es auch andere Wege gibt und dass es auch vom Pferd abhängt welches der beste Weg ist. Darauf sollten wir uns einstellen und nicht darauf was irgendein Guru uns sagt. Unterm Strich kann ich also mit Sicherheit sagen, dass mir die Philosophie hinter der Akademischen Reitkunst sehr gut gefällt und auch das Reiten, die Atmosphäre und der Umgang mit den Pferden hat mir gefallen. Ich werde mich damit nun mal eingehender beschäftigen.
Außerdem finde ich sein Outfit ziemlich super. Sorry, aber das musste jetzt sein.
Zitate von Bent Branderup
Damit Du Dir einen kleinen Eindruck von diesem Tag machen kannst, habe ich meine Lieblingszitate gleich mal mitgeschrieben und möchte sie mit Dir teilen. Manche sind ziemlich lustig, andere fand ich aufgrund der Idee oder ihres Inhalts bemerkenswert.
„Die gesunde Aufzucht in der Gruppe ist die absolute Voraussetzung für ein Reitpferd.“
Bent Branderup
„Die Reithalle ist das Klassenzimmer. Hier wird nicht getobt.“
Bent Branderup„Dann bringe ich dem Pferd bei zu lernen. Lernen zu lernen.“
Bent Branderup„Zu Beginn übe ich nur sehr kurz leichte Lektionen, damit ich in den Genuss komme das Pferd zu loben.“
Bent Branderup„Bei einer Lehrsituation hilft es nichts die Hilfe zu verstärken – davon versteht das Pferd die Hilfen nicht besser.“
Bent Branderup„Der Schenkel muss nicht versuchen den Gurt nachzuahmen, sondern die Fliege.“
Bent Branderup„Das was man verstärken muss, ist nicht die Hilfe, sondern die Aufmerksamkeit des Pferdes.“
Bent Branderup„Ich bin nicht so überheblich zu behaupten die Akademische Reitkunst wäre das einzige was wir mit unseren Pferden spielen sollten.“
Bent Branderup„Wenn ein Pferd natürlich aufgebaut wird, dann trainiert es die entsprechenden Muskeln auch auf der Weide.“
Bent Branderup„Es geht darum besser und besser zu verstehen was wir dem Pferd erklären wollen.“
Bent Branderup„Als Trainer wird man nicht reich. Das reichste was man wird ist so reich, dass man es sich leisten kann Schüler zu verlieren. Ich interessiere mich für Schüler, die lernen wollen. Die anderen können ja auch woanders nicht lernen wollen.“
Bent Branderup„Man hat die Pferde, die Hunde und die Kinder, die man verdient. Man hat es versäumt sie zu etwas anderem zu machen.“
Bent Branderup„Unser Hauptziel ist, dass ihr von mir unabhängig werdet.“
Bent Branderup„Es gibt nur ein Pferd, das sich nach der Theorie verhält – und das ist das im Buch.“
Bent Branderup„Dass viele das Werkzeug nicht bedienen können, das können wir ja dem Werkzeug nicht vorwerfen.“
Bent Branderup„Erst der gute Sitz kann die gute Hand hervorbringen.“
Bent Branderup„Gepäck hat eine Fähigkeit, die viele Reiter nicht haben: Es kann nicht gegensitzen. Also muss man sich oft bemühen nicht schlechter zu sitzen als sein eigener Koffer.“
Bent Branderup„Zwei Geister müssen wollen was zwei Körper können.“
Bent Branderup
Und damit Du auch optisch einen kleinen Eindruck bekommst, habe ich auch gleich mal ein Video rausgesucht bei dem er selbst reitet.
Hast Du auch Erfahrungen mit Bent Branderup und seiner Art des Reitens gemacht? Ich freue mich über Deine Meinung und Kommentare!
3 comments
Toller Artikel! Die Sache mit den Hilfen („betonte immer wieder, dass die sorgfältige Vorbereitung das A und O sei und dass es keinen Sinn mache, die Hilfen zu verstärken, wenn das Pferd sie nicht versteht.“) fand ich großartig (und auch wieder stark auf Menschen und die Arbeit und den Alltag übertragbar).
Du schreibst ja, „Ob das genau das ist was ich später mal mit Soudi machen möchte, das weiß ich noch nicht.“ – ich habe nun noch nicht ganz verstanden, was genau er jetzt eigentlich anders macht. Oder wieso du noch nicht weißt, ob du das mit Soudi auch machen möchtest. Aber wahrscheinlich bin ich dafür auch nicht genug im Thema. 🙂 Sein Outfit find ich übrigens auch großartig. 😀
Hi Katja,
so ganz genau kann ich Dir das auch noch nicht sagen, ich fange ja erst damit an mich mit ihm zu beschäftigen. Aber es ist schon ein sehr spezieller Weg, denke ich. Vieles davon finde ich toll und das kann ich auch übernehmen, aber ich weiß nicht, ob es die eine Reitlehre für alle und jeden gibt. Ich glaube, dass es immer wichtig ist auch über den Tellerrand zu schauen (was er auch selber sagt). Und dass es auch sehr auf das Pferd ankommt, wie man die Ausbildung angehen sollte. 🙂
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