Wir wissen es alle: Das Bild von Reitern ist in der Öffentlichkeit nicht das beste. Wir sind alle Experten an der Bande und Intrigen-schmiedende Stallzicken – das ist halt so. Bleibt nicht aus, wenn so viele Frauen aufeinandertreffen – Stutenbissigkeit nennt man das wohl.
Ein bisschen sind wir selbst schuld, dass das Bild von Reitern so negativ geprägt ist. Denn insgeheim sehen wir uns doch selbst so, oder? Wir selbst sind natürlich die Ausnahme von der Regel, aber die anderen? Da herrscht echt Zickenkrieg.
Was wirklich stimmt
Wir Reiter sind mit Leidenschaft dabei, wenn es um unser Lieblingsthema geht. Wir diskutieren deshalb auch mitunter ebenso leidenschaftlich. Wir sind mit Kritik schnell bei der Sache, insbesondere, wenn wir das Gefühl haben, dass ein Pferd Schaden nehmen könnte. Und wir werden nicht müde unsere eigenen Erfahrungen zu teilen, wenn wir denken, dass sie helfen könnten. Manchmal schießen wir dabei über das Ziel hinaus und manchmal haben andere am Ende tatsächlich für sie passendere Wege und wir sehen es erst zu spät.
Aber wisst ihr was? Das sind alles Dinge, die sind woanders auch so. Und zwar auch in Männer-Domänen! Mein Freund ist ja begeisterter Segler. Und ganz ehrlich? Selbst wenn ich alle Reitställe zusammen nehme, in denen ich je war, sind mir noch nie so viele Experten an der Bande begegnet, wie in unserem Heimathafen (und jedem anderen Hafen). Ihr müsst nur einmal im Hafen am Boot basteln, den Mast legen oder ein kompliziertes Anlegemanöver fahren und schon stehen mindestens zwei Herren, manchmal sogar ganze Menschenaufläufe, am Ufer und geben euch kluge Ratschläge. Dass ihr den Mast dieses speziellen Bootes schon gefühlte 98 mal gelegt habt, spielt dabei überhaupt keine Rolle. Und dass ihr gerade anderes zu tun habt, als ihren Ratschlägen zu lauschen ebenfalls.
Und wer einmal in einem Segel-, Technik- oder Autoforum eine Frage gestellt hat, der weiß, dass dort nicht gerade zimplerlich miteinander umgegangen wird.
Ja, wir haben ein anderes Konfliktverhalten
Es ist keineswegs so dass Männer diese Ratschläge dann dankbar und stillschweigend annehmen würden. Nein, was dann meist folgt ist der bekannte Ego-Vergleich. Jeder der Männer wird nun mit hoher Wahrscheinlichkeit anfangen zu erzählen, unter welchen absurd unwirtlichen Bedingungen er im Winter ’89 in der Arktis allein und ohne Kran den Mast seines Bootes gelegt – und wieder aufgerichtet – hat. Ein anderer hat den gebrochenen Mast repariert, während er bei 6 Meter Welle weitersegelte! Die Neandertaler hätten wahrscheinlich mangels Sprache einfach Armdrücken gemacht.
Und wir? Wir werden unsicher. Wir halten nicht dagegen, sondern geraten in die Defensive – und wenn wir uns dann wehren, schießen wir manchmal über das Ziel hinaus. Doch auch da gilt: Wer sich in Foren umsieht, die von Männern dominiert werden, wird auch feststellen, dass der Umgangston dort ebenso regelmäßig entgleist.Wenn wir kritisieren, dann machen wir das oft nicht direkt, sondern hinterm Rücken. Aber hast Du Dich schonmal gefragt, warum? Ich glaube nämlich, dass wir das im Grunde tun, weil wir die Harmonie erhalten wollen. Weil wir wissen, dass eine direkte Kritik vielleicht den anderen verletzen würde – und im Grunde wollen wir das ja gar nicht. Direkte Kritik gibt es in der realen Welt unter Frauen meiner Meinung nach nur deshalb nicht, weil wir harmoniebedürftiger, vielleicht sogar empathischer sind. Im Internet ist das was anderes. Da ist es einfacher direkt zu sein. Aber der Grundsatz bleibt: Wir führen Konflikte einfach anders als Männer. Nicht besser, nicht schlechter. Nur anders.
Unterschiedliche Maßstäbe – wie so oft
Nennt nun irgendwer diese absurden Ego-Battles, die Männer führen, „Hengstbeißerei“? Nein, denn das ist eben die Art, wie Konflikte geführt werden… (aha) Aber wenn Frauen sich (auf ihre Art) streiten? Stutenbissigkeit!
Und wisst ihr was? Ich hab’s satt. Auch wir Frauen müssen uns nicht immer einig sein, wir dürfen uns streiten und Konflikte auf unsere Art austragen – und das ist einfach nur Konfliktverhalten. Keine Stutenbissigkeit, kein Zickenkrieg oder irgendetwas in der Art. Mich ärgern diese Begriffe so, weil sie unsere Konflikte ins lächerliche ziehen und sie herabstufen. Oder hast Du noch nie Sprüche wie „Ach, nun krieg Dich wieder ein, das ist doch nur Stutenbissigkeit/Zickenkrieg!“ gehört? Ich schon. Unsere Streiterein sind genauso wichtig oder unwichtig wie die der Männer, also lasst sie uns zumindest selbst auch so behandeln! 😉
Ein paar versöhnliche Worte
Liebe Männer, ich mag euch! Und ich weiß auch, dass ihr nicht alle so seid – wir sind schließlich auch nicht alle gleich. Aber wenn ihr selbst nicht „einer von denen“ seid, dann nervt es euch wahrscheinlich genauso wie uns. 😉
Disclaimer: Kann Spuren von Übertreibung und Ironie enthalten.
6 comments
Liebe Sophie,
vielen Dank für diesen Beitrag!
Im ersten Moment dachte ich, es geht darum, dass Stuten „viel zickiger“ sind, einem Thema dem ich ebenso kritisch gegenüber stehe.
Aber zurück zum Thema, ich glaube noch nichtmal, dass Frauen viel öfter „hinterrücks“ über jemanden lästern als Männer. In meinem damaligen Ausbildungsbetrieb hatten wir deutlichen Männerüberschuss. Ich fand nicht das diese weniger gelästert hätten als die Frauen.
Wenn ich mit jemanden streite, geht meine Stimme hoch, sie hört sich also „zickiger“ an.
Während Männern eher ein „poltern“ an den Tag legen.
Ich habe mal einen interessanten Bericht über selbsterfüllende Prophezeiung gelesen.
Da ging es darum, dass Mädchen besser in Sprachen sein sollen und Jungs besser in Mathe.
Das wurde aber damit begründet, dass die Kinder dies von allen Seiten hören. Eltern, Freunde, Lehrer, von der ganzen Gesellschaft. Und sie es somit selbst glauben.
Ähnlich funktioniert das Prinzip auch bei „unserer Stutenbissigkeit“.
Liebe Grüße Swantje
Hallo Swantje, bitte entschuldige, dass ich jetzt erst antworte. Ich war lange inaktiv und gehe gerade all die Kommentare durch, die mir entgangen sind. Das mit der Stimme ist ein interessanter Aspekt, aber vor allem der Bericht über die selbsterfüllenden Prophezeihungen! Ja, ich denke das hat extrem viel Einluss. Meiner Erfahrung nach lästern Männer zwar auch, sind dabei aber weniger politisch, wenn Du verstehst was ich meine?!
Du hast so sehr Recht, dass ich meine Zustimmung fast nicht in Worte fassen kann. Und gerade die Sprache ist bei dieser Angelegenheit ein riesen Problem, weil das „Männliche“ warum auch immer seit jeher positiv konnotiert ist und das weibliche negativ. Ich sag nur „herrlich“ vs „dämlich“ oder im Englischen „man up“ vs „puss‘ out“. Ich bin ja eigentlich eine Anti-Feministen, aber diese angenommene Überlegenheit von männlichen Eigenschaften geht mir gehörig auf den nicht vorhandenen Sack. VG Nadja
Hallo Nadja, sorry, dass ich diesen Kommentar nicht früher freigeschaltet habe! Ich war ja leider laaaange inaktiv. Ich stimme Dir da auf jeden Fall vollkommen zu. Es ist schon schockierend wie sehr unsere Sprache mit solchen Bildern belegt ist. Was ich allerdings erstaunlich finde ist, dass Du Dich als Anti-Feministin bezeichnest. Ich glaube, spätestens nach diesem Kommentar, nämlich wirklich nicht, dass Du das bist. Aber ich denke was Du meinst ist, dass Du nicht mit dem „typischen Bild einer Feministin“ in eine Schublade gesteckt werden möchtest?!
Liebe Chevalie
Jetzt habe ich gerade deinen Blog entdeckt und sehe mit Schrecken, dass der letzte Beitrag schon ein Jahr her ist. Dabei fühle ich sowas von mit dir; ich habe gerade eine Berberstute gekauft, die ein Jahr jünger ist als dein Bub und all die Gedanken mit Stall, Ausbildung, Haltung, was kaufe ich mir jetzt schon, obwohl ich noch auf sie warten muss *hibbel* habe ich mir auch gemacht. Ich hoffe, dass du das bloggen nicht aufgibst, mag unbedingt bei dir weiterlesen!!!
Liebe Grüsse
Hallo Mary,
bitte entschuldige, dass ich jetzt erst antworte. Ich war lange inaktiv und gehe gerade all die Kommentare durch, die mir entgangen sind. Ich war mir lange nicht sicher, ob ich mit Chevalie irgendwann weiter mache. Manchmal braucht man einfach eine Pause (in diesem Fall musste es eine ziemlich lange Pause sein), aber ganz aufgeben mochte ich Chevalie auch nie. Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr uns auf unserem Weg weiter folgt. Wie heißt denn Deine Stute und was macht ihr zusammen? Ich freue mich ja immer sehr über andere Berber!
Liebe Grüße, Sophie