Manche Dinge kann man nicht planen oder voraussehen. Man kann versuchen alles bestmöglich vorzubereiten, aber oft kommt es dann eben doch anders als man denkt. Dann heißt es: Ruhe bewahren und den Dingen die Zeit lassen, die sie brauchen.
Bei Soudi und mir war es auch so. Wer meinen Blog schon länger verfolgt oder mal ein bisschen gestöbert hat, der hat bestimmt auch gelesen wie gut ich mich vorbereitet habe. Ich habe mir verschiedene Ställe angesehen, noch ehe ich ein Pferd hatte und mir vorher sehr genau überlegt welche Ansprüche ich an den Stall stelle, wo mein Herzblatt (das ich da ja noch gar nicht kannte) aufwachsen soll. Ich habe mich über Versicherungen informiert und alle Bedenken aus der Welt geräumt. Ich habe also wirklich alles getan, um den Start perfekt zu machen.
Alles war perfekt vorbereitet…
Und trotzdem ist es bisher etwas anders gelaufen als gehofft. Zumindest was den Stall angeht. Die Junghengstherde besteht aus etwa acht Jungpferden vom Absetzer bis zum Dreijährigen, die zusammen mit zwei erwachsenen Wallachen (Erziehungspersonal!) das ganze Jahr Tag und Nacht auf ca. 10 Hektar Weide leben. So hatte ich mir das vorgestellt und als ich diesen Stall fand, war ich hin und weg. Auch die Eingewöhnung sollte mit Herz und Verstand geschehen: Zunächst sollten die Absetzer auf einer separaten Weide „gesammelt“ werden und dann als kleines Grüppchen zu den Größeren kommen. Perfekt. 🙂 Als im März Soudis Umzugstag gekommen war, hatte sich auch ein Friesenabsetzer für die Kindergartengruppe angemeldet. Und so zogen die beiden zusammen auf diese Weide. Wir hofften, dass noch mehr Absetzer dazukommen würden, aber wie das Schicksal so spielt meldeten sich leider keine mehr. Naja, immerhin sind sie ja zu zweit und mit den Größeren können sie ja auch spielen.
…aber manchmal kommt es trotzdem anders.
Soudi hatte eine ausgezeichnete Kinderstube, ist eh ein sehr gelassenes Pferd mit einem großen Vertrauen in uns Menschen (ich hoffe, dass ich ihm das für immer erhalten kann!!) und sein Umzug war bestens vorbereitet. Deshalb steckte er die Strapazen auch wunderbar weg. Im Mai sollten sein Friesenkumpel Taajwar und er dann umziehen. Aber Taajwar war noch nicht soweit. Der schöne Friese hatte den Umzug weit weniger gut verarbeitet und es war beim besten Willen nicht daran zu denken mit ihm die 600 Meter zur anderen Weide zurückzulegen. Er war seeeeeehr scheu und schreckhaft, hielt es am Anfang kaum aus, wenn man auch nur daran dachte irgendwas von ihm zu wollen und explodierte bei jeder Gelegenheit. An menschlicher Gesellschaft zeigte er kein Interesse. An Aufhalftern war nicht zu denken und am Anfang ließ er sich noch nicht einmal anfassen. Soudi hätte ich wahrscheinlich einfach aufhalftern und rüberbringen können, aber sie waren ja nur zu zweit und das arme (F)Riesenbaby kann ja nun auch nicht einfach alleine bleiben. Optimal war das nicht, weil ein älteres Pferd, das die Führung hätte übernehmen können gerade Taajwar gut getan hätte. Soudi schien trotzdem ziemlich gelassen, aber unser ängstlicher Friese ist zwei Monate älter, versuchte deshalb die Führungsrolle zu übernehmen und ist damit natürlich einigermaßen überfordert. Ein Pferd dazuzustellen ging leider nicht. Aber wir waren uns auch alle einig, dass es seinem Vertrauen in die Menschheit nicht gut tun würde, wenn wir ihn für den Umzug überwältigen würden. Uns blieb also nichts weiter übrig als abzuwarten. Und das taten wir.
Wie ein großer Angsthase langsam Vertrauen fasst
Taajwar machte zu Beginn ganz kleine Fortschritte. Irgendwann durften wir ihn am Hals streicheln, was er sehr mag und er hielt diese Berührungen immer länger und irgendwann auch entspannter aus. Dann kam er irgendwann Soudi hinterhergedackelt, wenn wir auf die Weide kamen. Inzwischen ist er oft schon vor Soudi bei uns. Unsere Stallbesitzer kauften extra ein paar Gatter, so dass seine Besitzerin die Möglichkeit hatte in einem fest eingezäunten, überschaubaren Raum mit ihm üben konnte. Und so gewöhnte sie ihn Schritt für Schritt daran unsere Nähe auszuhalten. In denletzten Wochen ist eine tolle Veränderung mit ihm passiert. Am Anfang war er ein sehr unsicheres Pferd, das auf mich stets gestresst wirkte. Selbst wenn er sich streicheln ließ stand er unter Hochspannung und jede unbedachte Bewegung führte dazu, dass er explodierte. Heute ist er ein ganz anderes Pferd. Er erschrickt sich immernoch leicht und ist erstmal vorsichtig, aber er explodiert nicht mehr unkontrolliert und steht auch nicht mehr die ganze Zeit unter Strom. Er rechnet nicht mehr ständig mit dem Schlimmsten. Sein Ausdruck hat sich verändert: Er begegnet einem jetzt neugierig und entwickelt eine positive Einstellung uns gegenüber. Selbst Fremde dürfen ihn nun mal streicheln, wenn sie nicht allzu gruselig aussehen. 😉 Das ganze hat seine Besitzerin viel Geduld und Zeit gekostet und ich glaube auch einige Nerven. Zwischenzeitlich war sie wahrscheinlich auch ziemlich verzweifelt (wäre ich zumindest gewesen), aber was sie mit ihm erreicht hat, das ist wirklich toll und darauf kann sie unheimlich stolz sein. 🙂
Jetzt ist es soweit
Am Samstag wollen wir es nun wagen. Natürlich können wir Taajwar noch immer nicht einfach aufhalftern und rüber bringen. Aber wir haben einen ganz guten Plan, denke ich. Damit er sich nicht so aufregt wird eine Tierärztin ihm vorab eine Beruhigungsspritze geben. Eigentlich finde ich sowas natürlich auch nicht optimal, aber in diesem Fall minimiert diese Maßnahme das Risiko für alle und erspart ihm wahrscheinlich eine Menge Stress. Und dann bringen wir die beiden rüber. Es wird ihnen beiden gut tun, wenn sie dann in der intakten und großen Herde sind. Taajwar, weil er dann alle Verantwortung abgeben und wieder Kind sein kann und Soudi, weil da endlich mal ein bisschen mehr los ist… 😉 Ich bin guter Dinge, dass es klappt, aber ich hätte eine Bitte: Drücke uns die Daumen! Ich werde auf jeden Fall berichten und hoffe sehr, dass ich Dich nach dem Wochenende mit tollen Spiel-Fotos der beiden in ihrer neuen Herde erfreuen kann. 🙂
2 comments
Hi, ich habe deinen Blog zum Thema Umzug der Jungpferde gelesen, du schreibst sehr nett.
Für das scheue Jungpferd möchte ich dir die Grunderziehung nach Warwick Schiller wärmstens ans Herz legen. Du findest kurze Videos von ihm auf youtube und ausführliche mehrstündige Anleitung zum Training von scheuen Jungpferden auf seiner homepage. Alles Gute für euch und die jungen Friesen und liebe Grüße. Monika
Hi Monika,
erstmal herzlich Willkommen und schön, dass Dir meine Schreibe gefällt! 🙂 Ich werde mir Warwick Schiller und seine Trainingsmethoden ansehen, vielen Dank für den Tipp. Vielleicht ist das ja was für Taajwars Besitzerin. 🙂
Liebe Grüße,
Sophie