Die Frage, die wir uns beim Umgang mit Pferden und mit Tieren im allgemeinen stellen müssen ist doch: Was für eine Art von Beziehung möchte ich mit diesem Tier haben? Wie möchte ich Tieren – und wie möchte ich diesem Tier – begegnen? Die Antwort auf diese Frage muss die Grundlage sein für unseren gesamten Umgang mit anderen Lebensformen. Und trotzdem denken wir über diese Frage kaum nach. Ich habe lange mit Tieren gelebt, ohne mir meine Antwort zu überlegen. Und ich habe aus Unachtsamkeit viele Fehler gemacht. Ich finde, wenn wir die Verantwortung für ein Lebewesen übernehmen – sei es auf Zeit (zum Beispiel bei einer Reitbeteiligung) oder auf Dauer – dann sind wir eigentlich dazu verpflichtet, uns Gedanken darüber zu machen, wie wir diese Verantwortung begreifen. Was möchte ich meinem Tier bieten? Und was möchte ich im Gegenzug dafür bekommen?
Die Antworten auf diese Fragen können unterschiedlich ausfallen, aber ein Element müssen sie alle enthalten: Respekt. Wir erwarten, dass unser Pferd (Hund, Katze, Wellensittich…) uns mit Respekt begegnet. Aber dann müssen wir im Gegenzug auch die Tiere respektieren. Dazu gehört auch, dass wir uns damit auseinandersetzen, was unser Schützling braucht, was ihm Spaß macht und wie wir ihm am besten erklären können, was wir von ihm möchten.
Darüber habe ich neulich mit meiner Freundin Mieks gesprochen. Mieks‘ Leben wurde gerade gründlich auf den Kopf gestellt, denn sie hat eine kleine Hundedame namens Pebbles adoptiert. Nichts ist mehr wie es war, soviel ist klar. Aber darum geht es jetzt ja gar nicht. Jedenfalls hat Mieks sich intensiv mit dem Hundetraining beschäftigt, den verschiedenen Ansätzen, den Gurus und Lehren… Mieks will irgendwann mal Hundetrainerin werden und sich auf die Verhaltenstherapie spezialisieren. Sie will (psychisch) kranken Hunden wieder ins Leben helfen und ihren Besitzern zeigen, wie sie mit den Problemen ihres Schützlings umgehen können und ihm dabei helfen sie zu überwinden. Ich finde das ein großartiges Ziel – unabhängig davon, ob sie das irgendwann in Vollzeit machen kann. Mieks hat mir am Wochenende erzählt, dass sie auch pro-bono für Tierschutzvereine arbeiten will. Sie liebt Hunde und sie will ihnen helfen. Das finde ich großartig und es hat viel damit zu tun Tiere zu respektieren. Wir müssen ihnen zugestehen, dass sie ihre eigenen Persönlichkeiten haben und ihnen dabei helfen sich mit uns zurecht zu finden.
Weil Mieks jetzt einen Welpen hat, geht sie natürlich in die Welpenspielstunde, in den Hundepark, den Hundewald und zum Hundesport. Sie lernt jede Menge Hundehalter und auch -Trainer kennen. Weil sie sich intensiv mit dem Hundeverhalten, den Instinkten und Lehrmethoden auseinandergesetzt hat, nimmt sie natürlich vieles nicht unreflektiert hin. Und sie ist schockiert, wie viele Hundehalter sich keine Gedanken darüber machen, ob sie wirklich das richtige tun. Ob sie mit ihrem Hund so kommunizieren, wie er es braucht. Und die nicht einmal merken, dass sie ihre Tiere nicht respektieren.
Mieks erzählte von all den Hundehaltern, die nicht einmal ihre eigenen Tiere lesen können. Die eine Erziehungsmaßnahme mit Aggression und ein spielerisches Knurren mit einem tätlichen Angriff verwechseln. Und ich muss sagen, dass ist eine Beobachtung, die sich zum Teil auch auf die Pferdewelt übertragen lässt. Wir haben einige solcher Ähnlichkeiten entdeckt, als wir über unsere Erfahrungen sprachen. Auch bei Pferden habe ich oft das Gefühl, dass ihre Reiter sie nur sehr unzureichend „lesen“ können. Dabei gibt es zwei Kategoriene: Diejenigen, die sich gar keine Gedanken darüber machen und diejenigen, die einfach nie gelernt haben, wie man richtig hinhört.
Für mich waren Tiere immer Freunde. Meine Kindheit habe ich mit Katzen, Pferden und Hunden verbracht. Heute sind sie mehr als Freunde, weil ich heute auch die Verantwortung für sie trage. Das hat für mich zwar ein bisschen von der Unbeschwertheit genommen, aber auch den Ansporn, mich intensiver mit den Bedürfnissen meiner Tiere und meinem Verhalten ihnen gegenüber zu beschäftigen. Auch ich möchte Tieren helfen. Die Tiere mit denen ich zusammengelebt habe, haben mich geprägt. Ich habe von ihnen gelernt und ich kann vieles von dem lesen was in ihnen vorgeht. Ich kann nicht mit ihnen sprechen oder so, darum geht es nicht. Das ist nichts Übersinnliches, sondern vielmehr Beobachtung, Interpretation und Energie.
Mit Katzen habe ich immer am engsten zusammengelebt und sie sind es sicherlich auch, die mich am meisten geprägt haben. Ich bin ein sehr leiser, ruhiger Mensch. Wenn ich allein in der Wohnung bin, hört man mich kaum. Im Januar letzten Jahres habe ich einen zweiten Kater adoptiert. Er war sehr scheu, aber ich traute es mir zu mich auf ihn einzustellen und ihm die Sicherheit zu geben, die er braucht. Pünktchen hat mir viel über Energie beigebracht. Wenn er sich vor mir erschreckt, weil ich mit der falschen Energie durch die Wohnung laufe, dann falle ich inzwischen reflexartig in mich zusammen und im selben Moment verfliegt seine Angst. Wir haben gelernt zu kommunizieren und einander zu lesen. Das war meine Verantwortung und wenn er sich beim Schmusen vor lauter Begeisterung auf die Hinterbeine stellt oder auf den Boden wirft, dann werde ich tausendfach für meine Geduld belohnt.
Meine Nachbarin hat auch zwei scheue Katzen. Sie hat sie seit über zehn Jahren, aber sie lassen sich bis heute nicht anfassen. Ich dachte immer, dass sie vielleicht schwer traumatisiert wären. Vielleicht sind sie das auch, aber irgendwann erzählte mir meine Nachbarin, dass sie auch nie Lust gehabt hätte „stundenlang auf dem Boden rumzurutschen“, nur um das Vertrauen ihrer Katzen zu gewinnen. Ihre Tiere waren ihr die Mühe nicht wert. Ganz ehrlich, warum sollten sich die Katzen da die Mühe machen ihre Angst zu überwinden? Ich rede nicht davon die Tiere zu irgendwas zu zwingen, aber es liegt an uns, ihnen die Freundschaft anzubieten. Als Pünktchen bei uns einzog, habe ich stundenlang auf dem Boden in seinem Zimmer gesessen und ihm vorgelesen – ohne ihn zu sehen natürlich. Nach ein paar Tagen kam er einfach raus, lief meinem andere Kater hinterher und fing an mit mir zu schmusen.
Pünktchen hat mir erst so richtig beigebracht, wie ich meine Enerige bewusst steuern kann. Wie ich für ihn allein durch eine Veränderung meiner Körperhaltung harmlos werden kann, wie ich ihn mit Stimme und Energie unter dem Sofa herauslocken kann, wie ich ihm die Sicherheit geben kann, mit mir in die Küche zu gehen, obwohl dort ein fremder Mensch sitzt. Das alles ist eine Frage der Energie und diese Energie funktioniert bei Katzen, Hunden und Pferden. Sie hat auch viel mit dem Gefühl zu tun, mit dem man einem Tier begegnet. Gerade im Stall habe ich oft den Eindruck, dass die Menschen schon mit der Erwartung dort hinkommen, dass das Pferd gleich irgendeinen Mist baut. Die schwierigste Lektion im Umgang mit Tieren ist wahrscheinlich, diese Erwartung abzubauen und durch eine positive Einstellung zu ersetzen. Wenn uns das gelingt, geht zwar nicht gleich alles von alleine, aber das Miteinander ist wesentlich entspannter und harmonischer.