Über diese Frage stolperte ich letzte Woche und seitdem spukt sie mir im Kopf herum.
Im echten Leben sind wir alle Schauspieler. Wir sind Schüler, Arbeitnehmer, Kollegen, Eltern, Partner, Hundebesitzer, Reiter, Stallfreundinnen, Auftraggeber, Unternehmer, Dosenöffner… ich könnte diese Liste ewig weiterführen. Jeder von uns nimmt in seinem Leben so viele Rollen ein, dass einem schon schwindelig werden kann.
Manchmal kriegen wir das besser hin, manchmal weniger gut.
Das ist natürlich ganz normal.
Was wir dabei aber oft aus den Augen verlieren ist, wer wir eigentlich sind, wenn wir niemand sein müssen. Wenn keine Rolle von uns gefordert wird, wir nicht auf eine bestimmte Art funktionieren müssen…ja, wer sind wir denn dann?
Unsere Leben sind so voll, dass wir uns wahrscheinlich selbst nicht erkennen würden, wenn wir uns mal begegnen würden.
Als ich so darüber nachdachte, habe ich gemerkt, dass das auch mir selbst so geht. Dass wir unsere Leben bis zum Rand vollstopfen, hat aber oft nicht zur Folge, dass wir mehr schaffen. In meinem Fall hat mich dieses „jeder und niemand“ sein, dieses „tausend Rollen erfüllen“ und doch nie ich selbst sein, total blockiert. Ich habe mich in all diesen Rollen verloren und dabei völlig vergessen, was mir eigentlich Kraft gibt und mich antreibt.
Deshalb habe ich die letzte Woche inne gehalten. Durchgeatmet. Mich mit mir selbst beschäftigt. Ich bin mit den Hunden spazieren gegangen, ohne Lehrauftrag. Ich bin in den Stall gefahren, ohne Arbeitsauftrag. Und ich habe mich mit Dingen beschäftigt, die mich begeistern, ohne Druck.
Und was soll ich sagen? Die letzte Woche war die produktivste seit langem. Und was noch wichtiger ist: Ich habe wieder vor Augen wo ich eigentlich hin möchte. Ich spüre mich wieder. Jenseits der Rollen.
Dass ich mich so schnell wiedergefunden habe, das habe ich, ihr vermutet es schon, vor allem Soudi zu verdanken. Die letzten Wochen haben wir, wie ich jetzt merke, mehr oder weniger aneinander vorbei gelebt. Auch dort steckte ich in Rollen fest, die von Erwartungen bestimmt waren. Erwartungen von mir selbst und von anderen, die mich auch im Stall in eine Rolle gedrängt haben. Und Soudi quittierte das, wie er es schon immer getan hat, wenn ich das Hier und Jetzt aus dem Auge verloren habe. Er ist es immer, der mich darauf aufmerksam macht, dass ich mich neu sortieren muss. Mein Kompass, wenn es um die eigene Mitte geht.
Als ich nun wieder im Stall war, ohne Auftrag und ohne Agenda, war wieder alles anders. Seine Anspannung war sofort verfolgen und er suchte meine Nähe. Wir haben einfach zusammen die Sonne genossen, ich krauelte seinen Hals und er schloss die Augen und atmete tief durch, als wolle er sagen: Endlich hast Du zurück gefunden.
Ich schreibe das, weil ich glaube, dass es vielen so geht. Gerade wir Pferdebesitzer haben oft so viel um die Ohren, dass wir das wichtigste vergessen: Uns selbst. Vielleicht hat Dir Dein Pferd in letzter Zeit auch mal die kalte Schulter gezeigt, war angespannt oder schreckhaft? Vielleicht ist es Dir die letzten Male nicht auf der Koppel entgegengekommen? Oder hat überhaupt nur widerwillig mitgearbeitet?
Hör mal in Dich hinein und finde heraus, wann Du das letzte Mal Du selbst warst. Es könnte sein, dass Du feststellst, dass das schon erschreckend lange her ist.
Wer bist Du, wenn Du niemand sein musst?
1 comment
total schön! <3 <3 <3