Ich habe mich, bevor Massoud dann endlich einzog, immer wieder gefragt wie man das eigentlich macht, eine Beziehung aufbauen. Natürlich habe ich – wie es so meine Art ist – Bücher gewälzt, im Internet recherchiert. Aber wenn ich ehrlich sein soll, dann habe ich dazu nicht wirklich viel gefunden. In den Büchern geht es darum was ein Pferd braucht, wie man ihm etwas beibringt, wie man es gymnastiziert undundund… Ist ja auch klar, Bücher liefern Anleitungen. Aber – und das habe ich dann auch irgendwann eingesehen – um eine Beziehung aufzubauen gibt es kein Patentrezept. Für die Ausbildung und alles andere zwar eigentlich auch nicht, aber hier ist es viel einfacher Grundsätzliches fest zu zurren.
Aber eine Beziehung aufbauen? Das ist so sehr abhängig von den individuellen Charakterzügen, Vorlieben und Eigenarten des Pferdes und des Reiters, dass man dafür einfach keine Anleitung finden kann. Ich habe es dann auch irgendwann aufgegeben danach zu suchen und eingesehen, dass ich mich wohl auf mein Gefühl verlassen muss. Mein Gefühl hat gesagt, dass ich ihm Zeit geben muss, nicht zu aufdringlich aber interessant sein sollte. Und so habe ich es diese ersten vier Wochen auch gemacht. Ich war möglichst oft da, habe in den ersten Tagen nur gekrault und gefüttert und spannende Dinge wie Kameras, Klappstühle und Bälle mit auf die Weide gebracht. Ich denke nach der ersten Woche hatte mich Soudi schon mit positiven Dingen verknüpft: Essen, Abwechslung und Kraulen – in dieser Reihenfolge. 🙂
Aber eine positive Verknüpfung ist noch keine Beziehung. Ich war noch nicht seine Bezugsperson. Er freute sich zwar über das was ich machte und ich schien ihm auch durchaus sympathisch, aber er freute sich noch nicht über mich. Das war natürlich vollkommen ok. Ganz ehrlich, wenn ihr – ohne all eure Freunde und Familie – in eine vollkommen neue Umgebung mit neuen Menschen und neuen Pferden gesteckt würdet, dann wärt ihr auch erstmal damit beschäftigt euch einzuleben und an alles zu gewöhnen.
Dann habe ich angefangen ihn mal aufzuhalftern. Das kannte er ja schon vorher und das klappte auch gut. Wir sind dann mal zusammen um die Weide spaziert und ich habe angefangen ihn zu putzen, was er immer sehr genießt.
Es war spürbar, dass er sich immer mehr an mich gewöhnte. Wir erhöhten die Schwierigkeitsstufe und er musste nun auch Hufe geben. Auch das kennt er von seinem früheren Zuhause, aber das mögen wir nicht so richtig und versuchen da schonmal die Hufe weg zu ziehen. Es ist wichtig, dass man die alltäglichen Sachen immer wieder übt, vor allem weil er das ja auch bei den regelmäßigen Besuchen des Schmieds oder beim Tierarzt machen muss. Und das soll dann ja für keinen mit Stress verbunden sein. Viel mehr haben wir nun auch noch nicht gemacht, aber das reicht auch für diese ersten Wochen. Ich lerne nach und nach an welchen Stellen er besonders gern gekrauelt wird, was er doof findet und was wir noch üben müssen.
In der letzten Woche haben wir gleich zwei Abenteuer erlebt. Ein Besuch des Schmieds war fällig und ich war froh, dass wir schon ein bisschen geübt hatten. Doof fand er es trotzdem, das müssen wir also weiter ganz in Ruhe üben. Wir haben eine Huforthopädin, die unsere Stallbesitzer uns wärmstens empfohlen haben und ich hatte auch einen guten Eindruck. Sie hat zwei kleine Themen festgestellt, die wir aber in dem Alter ganz problemlos in den Griff bekommen können. Araber neigen häufig zu Zwanghaften und Soudi zeigt auch eine kleine Tendenz. Aber das wird für uns mit guter Hufpflege nie ein Thema werden. Außerdem tritt sein linkes Hinterbein ein kleines bisschen aus der Spur. Auch das ist nichts ungewöhnliches und hängt damit zusammen wie die Fohlen in der Gebärmutter liegen. Die meisten Jungspunde haben das, aber auch das kann problemlos korrigiert werden. Keine großen Themen also und vor allem keine, die uns in der Zukunft irgendwelche Probleme machen werden. Ansonsten hat Soudi sehr schöne Hufe und prima gerade Beinchen. 🙂 Alle sechs Wochen wird jetzt unsere Huforthopädin kommen
Trotzdem hatten wir auch noch eine Osteopathin da. Meiner Stallbesitzerin und mir war aufgefallen, dass Soudi den Scheif oft schräg hält, meist schräg nach links, häufig aber auch schräg nach rechts. Er machte keinen verspannten Eindruck, aber bevor da eine Schiefe entsteht dachte ich mir, ich lasse ihn lieber mal anschauen. Sicher ist sicher. Also war Kerstin Halstenbach bei uns und hat sich Soudi mal angesehen. Der hat das nicht nur ganz prima mitgemacht, sondern fand es die meiste Zeit total super. Kerstin hat nämlich eine sehr angenehme und ruhige Art, ist ganz geduldig und kann priiiiima kraulen! 🙂 Da hat der Herr die Oberlippe gespitzt und sichtlich genossen. <3
Zum Glück ist bei Soudi aber wirklich alles so wie es sein soll. Die Muskeln sind schön locker, die Knochen und Knorpel da wo sie sein sollen und Soudi hat ein Herz mehr im Sturm erobert. Ich hatte das Gefühl, dass Kerstin gar nicht gehen wollte, so lieb war der kleine Mann. 🙂 Er ist aber auch einfach Zucker.
Ich habe dabei gelernt: Araber (und Araber-Berber) sind die einzigen Pferde, die die Lizenz haben, den Schweif schief zu tragen. Also nur eine niedliche Angewohnheit. 🙂
Aber mein eigentliches Highlight ist, dass ich so langsam merke, dass Soudi mich auch ins Herz schließt und mich als neue Bezugsperson wahrnimmt. Er war die letzten Male wahnsinnig schmusig als ich gekommen bin. Wenn er mich sieht, dann leuchten seine Augen und egal was ich mache: Er ist immer dabei und will gucken was los ist. Wenn die gruselige Hufpflegerin kommt oder die fremde Osteopathin was komisches macht, dann will er zu mir auf den Arm. Und auf der Weide kommt er mir entgegen getrabt oder sogar gallopiert. Mein Herz hat er ja schon lange, aber so wie es aussieht bin ich auch in seinem schon angekommen. 🙂