Mein Pferd geht durch und vertraut mir nicht genug, um sich wieder zu beruhigen?
Mein Pferd läuft einfach nicht locker, geschweige denn in schöner Selbsthaltung?
Mein Pferd beißt mich, wenn ich den Sattelgurt schließe?
Mein Pferd lässt mich links liegen?
Mein Pferd rennt mich um, tritt mir auf den Fuß und bricht mir den Zeh?
Ich bin schuld. Immer.
Heute bekommst Du von mir 5 Gründe warum mein wichtigster Leitspruch im Umgang mit Pferden auch Deiner werden sollte.
Sich immer die Schuld zu geben klingt ungesund?
Keine Angst, ich gebe mir nicht für alles, alles die Schuld. Aber egal was gerade schief läuft mit meinem Pferd – eins weiß ich ganz genau: Dass es nicht an meinem Pferd liegt. Im restlichen Leben habe ich da eine sehr gesunde Einstellung. Wenn es meine Schuld ist, dann ok, aber ich ziehe mir auch nicht jeden Schuh an.
Ich bin schuld.Ich bin schuld.Ich bin schuld.
So verhilft Dir Dein neues Mantra zu einer harmonischen und gelassenen Partnerschaft mit Deinem Pferd:
1. Die Schuldfrage ist geklärt – und Du kannst Dich auf’s Wesentliche konzentrieren
Beim Zusammensein mit Pferden habe ich die Schuldfrage von Anfang an geklärt.
Ich bin schuld. Immer.
Vielleicht denkst Du jetzt, dass man das so pauschal ja auch nicht sagen kann. Dass das Pferd ja schließlich auch mal einen zickigen Tag haben kann…
Aber dann verrate ich Dir jetzt ein Geheimnis: Darum geht es gar nicht. In Wirklichkeit ist es völlig egal wer Schuld hat. Wichtig ist nur was ihr jetzt draus macht. Unsere normale Reaktion ist leider, dass wir nach dem Schuldigen suchen. Das lenkt uns von unserer eigentlichen Aufgabe ab: Der Problemlösung. Während ich im Job unter Umständen durchaus davon profitieren kann klarzustellen, dass nicht ich das Projekt verbockt habe (weil mein Chef auch ein Mensch ist und als erstes die Schuldfrage klären will), habe ich mit meinem Pferd absolut nichts davon. Höchstwahrscheinlich hat es relativ wenig Ahnung von dem ganzen Schuldkonzept. Mein Pferd sucht nicht nach einem Schuldigen. Insofern bringt es uns auch nicht weiter, wenn ich das tue. Indem ich die Schuldfrage von Anfang an mit „Ich“ beantworte, komme ich nicht mehr in Versuchung meine Zeit mit Schuldzuweisungen zu verschwenden und kann mich auf die Lösung konzentrieren. Das ist viel produktiver!
2. Du löst Dich von negativen Gefühlen
Wer kennt das nicht: Wir wollen die neue Lektion reiten, aber es klappt und klappt nicht, weil der blöde Gaul einfach bockig ist.
Natürlich stimmt absolut nichts an diesem Gedanken.
Ich glaube schon, dass Pferde Gefühle und eigene Ideen haben, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass „bockig sein“ nicht zu ihrem Spektrum gehört. Aber davon einmal abgesehen: Siehst du was passiert, wenn Du die Schuld Deinem Pferd gibst? Du wirst wütend. Auch das ist eine natürliche, menschliche Reaktion. Aber wenn Du wütend auf Dein Pferd bist, dann steckst Du schon in einer Abwärtsspirale. Die Lektion wird jetzt ganz sicher nicht mehr klappen. Wahrscheinlich wirst Du frustriert und noch ärgerlicher vom Pferd steigen.
Natürlich bleibt es auch dann frustrierend, wenn eine Lektion nicht klappt, wenn Du Dir selbst die Schuld gibst. Aber Deine negativen Gefühle richten sich dann zumindest nicht gegen Dein Pferd. Und mal ehrlich: Würdest Du gern mit jemandem zusammenarbeiten, der offensichtlich aus irgendeinem Grund, den Du nicht verstehst, stinksauer auf Dich ist, sich aber auch nicht die Zeit nimmt Dir zu erklären was eigentlich los ist? Ich nicht. Und Dein Pferd wahrscheinlich auch nicht.
3. Du bist nicht ungerecht
Wenn Du diese Spirale kennst, dann warst Du vielleicht auch schonmal ungerecht zu Deinem Pferd? Ich schon. In 99,99% der Fälle, in denen wir die Schuld normalerweise „dem blöden Gaul“ in die Hufschuhe schieben würden, ist genau das eine bodenlose Ungerechtigkeit. Pferde sind nicht trotzig, hinterhältig oder bösartig. Alles was sie tun basiert entweder auf natürlichen Verhaltensweisen oder wurde ihnen von uns (oder anderen Menschen) bewusst oder unbewusst beigebracht.
Kannst Du sicher sein, dass Du nicht aus Versehen ein Verhalten belohnt hast, das Dich jetzt gerade nervt? Vielleicht hast Du Dich heute Nacht verlegen und Deine Hilfen kommen deshalb anders an als sonst – und Dein Pferd versteht Dich einfach gerade nicht. Dein Pferd will nicht mit Dir von der Weide kommen? Vielleicht spürt es den Stress, den Du heute auf der Arbeit hattest und ist verunsichert. Dein Pferd verweigert die Seitengänge, die gestern doch noch super geklappt haben? Vielleicht hat es sich auf der Weide verletzt und hat Schmerzen.
Für jedes Szenario gibt es immer solche und solche Erklärungen. Eine ist, dass das Pferd schuld ist. Aber es gibt auch immer tausend andere, in denen es das nicht ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass Du Deinem Pferd unrecht tust, ist also ziemlich hoch.
4. Du kannst das Problem beeinflussen
Dinge an denen ich schuld bin, liegen in meinem Einflussbereich. Wenn etwas meinetwegen schief läuft, ist es viel einfacher den Fehler zu korrigieren als wenn es an jemand anderem liegt. Ganz egal ob ich tatsächlich ganz allein schuld bin (was aber sehr wahrscheinlich ist): Wenn ich davon ausgehe, dann gehe ich automatisch auch davon aus, dass ich etwas ändern kann. Ich bleibe also lösungsorientiert.
Außerdem verschließe ich nicht die Augen vor eigenen Problemen, indem ich die Schuld bei meinem Pferd suche. Wenn ich mich zunächst immer selbst in Frage stelle, dann mache ich größere Fortschritte. Statt meine Zeit mit Ausreden zu verschwenden, kann ich an mir Arbeiten. Und mich über die hart erarbeiteten Lösungen freuen.
5. Du wirst positiver, produktiver und pferdefreundlicher!
Ist das nicht frustrierend immer Schuld zu haben? Das könnte man meinen. Aber erstaunlicherweise ist es das überhaupt nicht. Weil man ganz schnell merkt, dass man Probleme schneller lösen kann, sich weniger ärgert und insgesamt ein positiveres Miteinander mit seinem Pferd genießen kann.
Vielleicht ärgert man sich mal über sich selbst, wenn man sich besonders doof anstellt, aber Selbsterkenntnis ist ja bekanntlich der erste Schritt zur Besserung. Und wenn ich keine Zeit mehr mit Schuldzuweisungen und keine Energie mehr in negative Gefühle stecke, dann bleibt umso mehr, um motiviert und lösungsorientiert weiterzumachen.
Wird „Ich bin schuld.“ auch Dein neues Mantra? Oder hast Du einen anderen Leitspruch, der Dir bei der Arbeit mit Deinem Pferd besonders geholfen hat?
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12 comments
Stimmt, da ist was dran … das habe selbst ich (… der ich kein Pferd hab) an Petras Stute gemerkt, wie sie anfangs eher unentspannt war, wenn ich zu ihr bin. Im Endeffekt war ich unentspannt, und das hat sich auf sie übertragen … ich war also Schuld 🙂
Hi Tom,
Klasse dass Du gleich von Anfang an dieses Bewusstsein hast. Das haben viele auch nach 20 Pferdejahren noch nicht. 😉
Liebe Grüße, Sophie
Liebe Sophie,
ich verstehe deinen Ansatz sehr gut, habe persönlich aber ein Problem mit dem Wort Schuld. Ich selber versuche einfach niemandem die Schuld zu geben, denn wenn ich die mir gebe, dann fühle ich mich schlecht.
Ich versuche jedes Problem was sich mit Parcival auftut als neue Trainingsaufgabe zu sehen. Ich mag Herausforderungen und bin so einfach genau wie du, wenn du dir die Schuld gibst, eher lösungsorientiert.
Natürlich klappt das nicht immer. Erst letztens bin ich nach einem langen Arbeitstag in den Stall gegangen. War gestresst und eigentlich auch furchtbar müde. Wollte aber unbedingt noch richtig mit Parcival trainieren, weil wir bald Familienzuwachs bekommen und ich dann das schlechte Gewissen habe, dass ich die erste Zeit nicht mehr ganz so viel Zeit und Energie für ihn haben werde. Entsprechend viel Druck habe ich natürlich gemacht. Das läuft bei meinem Pony aber mal gar nicht. Der lässt mich dann jedes Mal komplett auflaufen. Sprich er tut nichts von dem was ich gerne hätte und er durchaus auch kann. Er beschäftigt sich dann entweder ohne mich, oder steht einfach da und schaut mich an. Im Normalfall kapier ich es dann, nehm mich zurück und er macht wieder mit. An diesem Abend hab ich es leider nicht kapiert und bin zornig und mit dem Gedanken, der macht das doch mit Absicht weggefahren. Auf dem Heimweg ist mir aufgefallen was schief gelaufen ist, ich bin zurück gefahren und hab mich bei meinem Pony entschuldigt. Mag jetzt übertrieben wirken, aber mir ging es danach besser un Parcival und ich haben noch richtig schön miteinander geschmust.
Wichtig fand ich hier für unser Zusammensein, dass ich eingesehen habe, dass ich Mist gebaut habe. Dass ich dazu gestanden habe und dass ich für die Zukunft daraus lerne. Ich bin aber auch nur ein Mensch und es kann immer mal wieder passieren, dass ich mich falsch verhalte, dann finde ich es für mich wichtig, dass ich mir zwar anschaue was verkehrt lief, aber eben auch geduldig mit mir selber bin. Nicht nur mit Parcival, denn wenn ich mich dann fertig mache, dann fühle ich mich schlecht und auch das wird sich auf Parcival übertragen.
Hm, keine Ahnung ob man versteht was ich sagen will…
Liebe Grüße
Miriam
Liebe Miriam,
ich finde es toll, dass Du Parcival und eure Beziehung so ernst nimmst, dass Du in der Situation zurückgefahren bist!
Dass Du ein Problem mit dem Schuldbegriff hast, das kann ich verstehen. Das geht auch anderen so und ich habe auch lange drüber nachgedacht ihn zu verwenden. Aber genau das ist es was wir unseren Pferden geben: Die Schuld. Der Artikel ist bewusst etwas provokant. Es geht aber darum, dass wir davon wegkommen müssen überhaupt einen Schuldigen zu suchen. Unter Punkt 1 schreibe ich ja auch, dass es darum eigentlich gar nicht geht und dass das keinen weiterbringt. Es geht mir nicht um eine böse Schuldzuweisung an mich selbst, sondern vielmehr darum, dass ich nicht mehr meine Zeit mit der Suche nach einem Schuldigen verschwende, weil ich die „Schuldfrage“ ja eh schon vorab geklärt habe. Diese Mechanik muss nicht für jeden funktionieren. Aber was ich damit meine ist, dass ich lieber darüber nachdenken sollte wie ich ein Problem löse statt über die vermeintliche Unzulänglichkeit meines Pferdes (oder mir selbst) nachzudenken. Es geht nicht darum, dass ich mich für alles was schief läuft runterputze. Das konnte ich in dem Artikel wohl nicht 100% deutlich machen, aber ich hoffe Du kannst meinen Gedanken jetzt ein bisschen besser nachvollziehen? 🙂
[…] zu meinem letzten Artikel, habe ich heute bei Sophie einen klasse geschriebenen Beitrag über die Schuldfrage im Umgang mit dem Pferd […]
[…] Lesetipp: Zum Thema Schuld hat Sophie einen wunderbaren Artikel auf Chevalie veröffentlicht – schau selbst und lese ihn hier. […]
[…] Lieblingsartikel von ihr erklärt Sophie wie wichtig es ist, sich als Reiter immer erst einmal selbst die Schuld zu geben und nicht dem […]
[…] Einen guten Beitrag zum Thema Schuld kannst Du hier auf Chevalie […]
[…] Und hier kommt Lektion Nummer 1: wie Sophie von Chevalie so schön sagt „Ich bin Schuld. Immer“. […]
[…] zu meinem letzten Artikel, habe ich heute bei Sophie einen klasse geschriebenen Beitrag über die Schuldfrage im Umgang mit dem Pferd […]
Hm, aber wenn ich ein Reitanfänger bin der noch nichts weiß und darauf vertraut dass mein Reitlehrer mir alles sagt was ich wissen muss und der Reitlehrer es mir aber nicht so erklärt dass ich es verstehe sondern mich nur als hoffungslosen Fall beschimpft nachdem zum x-ten Mal was nicht geklappt hat und ich dann frustriert zu stark am Zügel ziehe oder die Hacken in die Weichen donnere, wer ist den dann Schuld der Schüler oder der Lehrer?
Immernoch Du. Der Reitlehrer hat dann einen wirklich schlechten Job gemacht. Aber für Dein Handeln bist du allein verantwortlich.