Zweifel sind unsere Freunde.
Zweifel gehören zu großen Entscheidungen dazu und bewahren uns vor allerlei Dummheiten. Natürlich sehen wir das meistens nicht so, sondern wünschen sie weit fort. Wir streben Sicherheit an. In unserem Leben, unseren Entscheidungen, unserem Handeln. Aber Sicherheit zu erreichen ist meistens ein sehr langer Weg, in vielen Fragen werden wir das Ziel auch nie erreichen. Manchmal haben wir auch die Chance verpasst Sicherheit zu schaffen und müssen nun auf immer mit den Was-wäre-gewesen-wenn-Zweifeln auskommen. Und manchmal steht uns unser Streben nach Sicherheit auch im Weg, wenn wir unsere Träume leben wollen.
Zweifel haben aber eine wichtige Funktion und es lohnt sich immer auf sie zu hören. Damit ist nicht gemeint, dass man ihnen immer nachgeben sollte, aber es ist wichtig zu ergründen was einen zum Zweifeln bringt. Nur so kann man sie überwinden – oder eben auch nicht.
Ich gehöre zu den Menschen, die eher zu viel als zu wenig zweifeln. Ich bin ein Kopfmensch, Vernunft dominiert mein Denken. Wenn ich dann mal einen „leichtsinnigen“ Plan fasse, kann ich fast sicher sein, dass ich am nächsten Tag voller Zweifel bin. Aber das ist ok. Nicht ok wäre, sich leichtfertig dazu zu entscheiden die Verantwortung für ein anderes Lebewesen, ein eigenes Pferd, zu übernehmen. Zweifel sind ok, wenn es um Verantwortung geht. Es ist wichtig, sich mit dieser Verantwortung auseinander zu setzen. Spontanität ist hier fehl am Platze.
Mein Wunsch nach einem eigenen Pferd war am Anfang nicht mehr als ein Hirngespinst. Dann war es viele Monate lang ein ewiges Hin und Her zwischen „Ich will ein eigenes Pferd!“ und „Ich will auf keinen Fall ein eigenes Pferd!“. Wenn ich einen Tag sicher war, hatten mich meine Zweifel am nächsten Tag vom Gegenteil überzeugt. Das hielt ein paar Tage, ehe das Spiel wieder von vorne losging. Habe ich genug Zeit? Genug Geld? Genug Wissen? Genug Erfahrung? Was bedeutet das für mein Leben? Will ich das wirklich?
Es hat wirklich lange gedauert, aber heute kann ich sagen, dass ich die Zweifel tatsächlich überwunden habe. Ich bin mir sicher, dass es das ist was ich will. Ich möchte ein eigenes Pferd – und dafür habe ich sehr gute Gründe, wenn auch keine plausiblen (denn mal ehrlich: Es gibt in unseren Breiten wirklich keine durch und durch vernünftigen Gründe, um sich ein eigenes Pferd zu kaufen!).
Wie bin ich zu dieser Sicherheit gekommen? Ich habe mich mit jedem Zweifel auseinandergesetzt.
Diese Fragen solltest Du Dir vor der Entscheidung für ein eigenes Pferd stellen:
Habe ich genug Zeit?
Über Wochen und Monate habe ich mir meinen Alltag angeguckt und festgestellt: Ja, ich habe die Zeit für ein eigenes Pferd. Natürlich werde ich hier und da auf etwas verzichten müssen und vielleicht auch einiges ein bisschen umstellen, aber gravierende Einschränkungen sind das nicht. Und schließlich macht mir das ja Spaß und es gibt wenig womit ich meine Freizeit lieber verbringen würde. Ich kann gewährleisten, dass ich noch genug Zeit für Stef habe und auf Urlaub muss ich auch nicht für den Rest meines Lebens verzichten. Wird das auch in Zukunft so sein? Ja, aber nur, wenn ich vielleicht auch mal auf eine Weiterentwicklung verzichte. Mir muss bewusst sein, dass ich nicht mehr jeden Job machen kann, wenn ich auch Freizeit brauche, um bei meinem Pferd sein zu können. Bin ich bereit zu diesem Verzicht? Eine herausfordernde Arbeit ist mir wichtig, aber ich lege auch Wert auf meine Freizeit. Außerdem möchte ich mit meinem Pferd gern besser werden und irgendwann auch zumindest einen Teil meiner Arbeitszeit mit Pferden verbringen. Um sich den Weg, den man gehen möchte, selbst auszusuchen, braucht man allerdings ein eigenes Pferd.
Habe ich genügend Geld?
Hier half nur ein gnadenloser Kassensturz. Wieviel habe ich angespart? Was steht mir im Monat zur Verfügung? Wie sehen meine Fixkosten aus? Wieviel kostet ein eigenes Pferd? Was kommt monatlich auf mich zu? Wie kann ich den Fall der Fälle absichern? Wie Rücklagen bilden? Schnell stand fest: Ich verdiene gut und wenn ich ein bisschen darauf achte was ich ausgebe, dann ist das bei mir tatsächlich ein geringfügiges Problem. Wird das auch in Zukunft so sein? Ja, ich habe einen sicheren Job in einem guten Unternehmen, in dem sich sicher auch noch andere Möglichkeiten ergeben werden. Natürlich kann ich dann weniger Risiken eingehen. Auf der anderen Seite besteht die Chance, dass ich in Zukunft vielleicht ein bisschen Freiheit habe, in dem ich zum Beispiel mit Pferdetraining ein zweites Standbein aufbaue.
Habe ich genug Erfahrung und genügend Wissen?
Traue ich es mir zu allein für ein eigenes Pferd zu sorgen? Nein. Muss ich das? Nein. Ich habe eine großartige Infrastruktur um mich herum und viele Menschen, Trainer, Pferdehalter und Stallbetreiber, die ich fragen kann. Vieles weiß ich inzwischen selbst, für manches habe ich sogar echtes Talent. Und wo ich mir nicht selbst helfen kann, da wird mir geholfen. Als Reiter bin ich einfühlsam und vorsichtig und mache gute Fortschritte. Regelmäßiger Unterricht ist mir ohnehin wichtig. Natürlich ist es am besten, wenn man sich in allen Belangen sicher fühlt. Aber seien wir doch mal ehrlich: Dann hätte kaum jemand ein eigenes Pferd. Wer auf eine gute Infrastruktur achtet und sich eingesteht wo er Hilfe braucht, der muss kein Profi sein, um ein eigenes Pferd zu haben.
Was bedeutet das für mein Leben und will ich das wirklich?
Ein eigenes Pferd bedeutet eine Umstellung, keine Frage. Und ich bin sicher, dass es mir an manchen Tagen auch schwer fallen wird zum Stall zu fahren. Aber die Wahrheit ist, dass ich im Moment oft genug unzufrieden mit meinem Leben bin. Zwar geht es mir eigentlich gut, aber ich bin zu wenig draußen, fühle mich inaktiv, obwohl ich ständig unterwegs bin. Ich fühle mich von meinem Leben fremdgesteuert, mache tausend Dinge, die ich im selben Moment wieder vergesse. Bin ich bereit auf einiges davon zu verzichten, um etwas zu tun was mir wichtig ist und Ausgleich bietet? Ja. Ich will mein Leben ohnehin ändern. Wie oft passiert es jetzt, dass man, ins iPad vertieft, nebeneinander sitzt oder von Termin zu Termin hetzt? Man hat genügend Zeit füreinander, aber irgendwie hat man verlernt sie bewusst zu genießen. Das muss sich wieder ändern. Und ich glaube, dass eine klarere Struktur – die automatisch entsteht, wenn ein eigenes Pferd mit eingeplant werden will – und ein bewussteres Beisammensein dem Glück nur zuträglich sein kann. Natürlich kann es auch mal sein, dass alles zu viel wird und man sich zurückziehen will. Das gibt es jetzt auch. Aber einen gesunden Ausgleich zu haben ist dann doch 1000Mal wirksamer als sich auf dem Sofa zu verkriechen und vom Ausgleich zu träumen. Will ich das wirklich? Ja. Ich will das wirklich.
Auch wenn Zweifel unsere Freunde sind – sich sicher zu sein ist ein unbeschreiblich schönes Gefühl. 🙂
4 comments
WOW echt super gut geschrieben!
In jeder Überlegung spiegel ich mich einfach wieder.
Ich bin immer so unsicher und von Tag zu Tag überlege ich hin und her.
Mir geht es echt genau so wie es dir damals ging :). Den einen Tag denke ich wirklich „Scheiß drauf du packst das. Bist doch eh jeden Tag bei deiner Reitbeteiligung“ den nächsten denke ich „OH Gott was mache ich bloß, wenn das.. und das.. und vielleicht auch noch das gleichzeitig passiert?!“.
Jetzt muss ich nur noch den Schritt wagen :).
Am meisten Angst habe ich vor den Kosten.
Was ist wenn das Tier mal plötzlich krank wird? Klar würde mich meine Familie unterstützenn, aber will ich wirklich davon abhängig sein?
Ich denke diese ganzen Überlegungen kannst du gut nachvollziehen.
Aber dein Post hat mir schon mal sehr geholfen :). Einfach um zu wissen, dass man mit diesen Gedanken und Zweifeln nicht alleine ist.
Liebe Grüße,
Esther 🙂
Hallo Esther,
nein, damit bist Du definitiv nicht allein. Und ich finde es sehr gut, dass Du Dir Gedanken machst, das zeigt, dass Du die Verantwortung ernst nimmst.
Um Dich gegen unvorhergesehene Kosten etwas abzusichern würde ich Dir empfehlen Dein Pferd gut zu versichern. Eine OP-Versicherung ist beispielsweise in meinen Augen unerlässlich, denn da kommen ganz schnell enorme Summen zusammen. Ob eine Krankenversicherung sinnvoll ist, muss jeder selbst entscheiden. Und was die normalen Kosten angeht, da weißt Du ja sicher ziemlich gut Bescheid was auf Dich zukäme.
Es freut mich auf jeden Fall sehr, dass ich Dir mit dem Text geholfen habe. Lass Dir auf jeden Fall Zeit mit Deiner Entscheidung. Zweifel zu haben sollte bei einer so weitreichenden Entscheidung absolut normal sein! 🙂
Liebe Grüße,
Sophie
Ich glaube in den letzten Wochen habe ich deinen Text wieder und wieder gelesen. Immer wieder neu, weil es einfach so wahr ist.
Ich verhalte mich ähnlich und denke mich noch um Kopf und Kragen.
Wünsche mir ein eigenes Pferd seit ich mit 8 jahren angefangen habe zu reiten.
Und nun, 13 Jahre später stehe ich da mit sicherem job, gespart, einigermassen Erfahren und vor allem satt weiter zu warten.
Nach allem biegen und planen steht nun das erste eigene Pferd fast im Stall und was passiert? Eine kleine Info dass sich ggf etwas ändert und ich bekomme Panik! Will ich das wirklich? Ja? Habe ich alles bedacht? Ja denke ich. Warum fühlt es sich dann so schrecklich an als würde ich grade einen Fehler tun?
Ich denke häufig am Tag was ich noch brauche, lerne über Fütterung oder suche mir Infos zu Haltungsbedingungen, schaue gern zu oder rede mit Leuten wie diese sich um ihre geliebten 4 Beiner kümmern. Die schaffen das ja auch, und ganz ehrlich, die meisten davon gehören weder zu den top Verdienern, noch haben massig Zeit über, und die perfekten Reiter sind es auch nicht, noch nicht zumindest.
Aber bemüht, und glücklich.
Es sind die Momente beim Pferd, im Stall, draussen der Ausritt oder der galopp vor dem ich so Angst hatte und mich doch überwunden habe! Daran erinnern wir uns und erzählen am nächsten Arbeitstag unseren Kollegen davon. Das gibt uns Kraft und Grund aufzustehen.
Und nicht „gestern aufm Sofa wars so bequem und der Film war ja mal klasse“
Ich möchte aufhören nur anderen beim leben zuzuschauen und vor mich hin zu träumen und warten bis mir jmd alles vor die Nase legt. Das wird nicht passieren.
Wobei auch diese Möglichkeit jetzt schon beinahe mit “ auf dem Silbertablett präsentiert“ gleichzustellen ist.
Ich danke dir für deine Post und hoffe du weisst dass du mir damit wirklich weiter hilft.
Es istschön zu sehen dass man nicht der einige ist, der so reagiert.
Liebe Grüsse
Jasmin
Liebe Jasmin, bitte entschuldige, dass ich jetzt erst antworte. Ich war lange inaktiv und gehe gerade all die Kommentare durch, die mir entgangen sind. Ich hoffe Du hast den Sprung gewagt und bist inzwischen glückliche Pferdebesitzerin. Wenn das so ist, dann lachst Du jetzt wahrscheinlich über all die Gedanken, die Du Dir damals gemacht hast. Ich hatte diese Panik vor jeder wichtigen Entscheidung, die ich getroffen habe. Keine davon habe ich bereut. Es freut mich jedenfalls sehr, dass ich Dir Mut machen und Dich etwas beruhigen konnte. <3