Heute wird es mal so richtig persönlich, also hab Nachsicht mit mir.
Ich habe nämlich etwas sehr erschreckendes festgestellt und möchte das mit Dir teilen, weil ich mir vorstellen kann, dass es dem Einen oder der Anderen vielleicht auch so geht wie mir.
Geduld mit dem Pferd – und was ist mit uns?
Seit es Chevalie gibt, schreibe ich darüber, dass wir unsere Pferde nicht so unter Druck setzen sollten. Gerade erst habe ich einen Gastartikel darüber geschrieben, dass wir mehr Geduld haben und unserem Pferd die Zeit und Hilfestellung geben sollten, um zu verstehen, was wir von ihm möchten. Ich schreibe darüber, dass unsere Zeit mit den Pferden unsere Freizeit ist und es keinen Grund gibt, unsere Pferde unter Druck zu setzen. Wir haben doch alle Zeit der Welt. Wenn mein Pferd also 10 Minuten braucht, um durch diese eine Pfütze zu gehen? So what!
Aber was ist dabei eigentlich mit uns selbst? Ich habe gerade das Gefühl, dass ich immer nur von den Pferden spreche, wenn es darum geht, keinen Druck auszuüben. Aber uns selbst nicht zu sehr unter Druck zu setzen, ist mindestens genauso wichtig. Denn nur dann können wir positiv und entspannt mit unserem Pferd arbeiten und unsere gemeinsame Zeit genießen. Was passiert, wenn man mit sich selbst zu streng umgeht, erlebe ich gerade selbst. Aber darüber wird viel zu wenig gesprochen.
Gerade erst ist mir nämlich bewusst geworden, dass ich zwar versuche, meinem Pferd mit Nachsicht und Respekt zu begegnen, mit mir selbst aber in mancher Hinsicht ziemlich gnadenlos umgehe. Ein bisschen bin ich beim Bloggen in diese Falle getappt. Aber besonders schlimm ist es, wenn es ums Reiten geht. Klar, ich bin Pferdebloggerin und habe ein Jungpferd, das ich mit Hilfe irgendwann einmal selbst ausbilden möchte – da sollte man schon einen gesunden Ehrgeiz haben.
Aber das was im Moment in mir vorgeht, ist kein gesunder Ehrgeiz.
Was ist passiert?
Wie Du vielleicht weißt, hatte ich ja eine wunderbare Reitbeteiligung an meinem Stall, die zeitweilig zum Verkauf stand. Zu meiner großen Freude kümmert sich ihre Besitzerin jetzt wieder fast täglich um sie, so dass sie wohl wahrscheinlich bleiben kann. Trotzdem bin ich inzwischen nicht mehr ihre Reitbeteiligung. Ich habe gemerkt, dass mir die Verantwortung für zwei Pferde zu viel war und ich wurde einfach nicht beiden gerecht. Ber vor allem habe ich es auch nicht geschafft, regelmäßigen Unterricht bei uns am Stall zu bekommen, was für mich ein großes Problem war, weil ich eigentlich unbedingt regelmäßig Unterricht nehmen möchte, als Vorbereitung für meinen Weg mit Soudi. Aber Unterricht in einem anderen Stall, eine Reitbeteiligung und Soudi? Unmöglich für mich das zu schaffen.
Nun habe ich also keine Reitbeteiligung mehr (bin aber froh, dass ich meine kleine Maus noch besuchen kann) und will stattdessen regelmäßig Unterricht nehmen. Zum Glück wohne ich jetzt nach meinem Umzug in der Nähe von zwei tollen Trainerinnen, bei denen ich in der Vergangenheit schon Unterricht hatte. Letzte Woche habe ich die erste Unterrichtsstunde seit Wochen mit einer der beiden vereinbart – und statt mich zu freuen, war ich tierisch nervös. Und nicht auf die gute Art…
Wie kann das sein?
Zuerst dachte ich, dass ich Angst vor den anderen Reitern dort hätte. Immerhin wissen wir ja alle, dass wir Reiter nicht immer besonders nett zueinander sind… Aber nachdem ich jetzt eine Weile darüber nachgedacht habe, ist mir klar geworden, dass ich vor allem vor mir selbst Angst hatte. Ich habe an mich selbst den Anspruch, in den Sattel zu steigen und perfekt zu sein. Und weiß gleichzeitig, dass das nicht passieren wird – was ja der Grund ist, warum ich Unterricht nehme *duh*.
Wenn Du Dich zu sehr unter Druck setzt, stehst Du Dir selbst im Weg.
Ich habe Angst davor im Sattel zu sitzen und festzustellen, dass ich gar nichts kann. Natürlich weiß ich eigentlich, dass auch das nicht passieren wird, ein bisschen was kann ich ja doch. Aber ich kann sicher sein, dass ich meine eigenen, unrealistiscchen Ansprüche garantiert enttäuschen werde. Kein Wunder, dass ich nervös bin, statt mich zu freuen, oder?
Jetzt wo der Groschen gefallen ist, bin ich ein bisschen schockiert, dass ich das nicht früher bemerkt und etwas dagegen getan habe. Wenn ich so darüber nachdenke, dann gab es schon einige solcher Momente, die so viel schöner hätten sein können, wenn ich mit mir selbst dieselbe Geduld hätte, wie mit meinem Pferd.
Ich merke das auch bei meiner „Arbeit“ mit Soudi. Wenn ich dort einen Fehler mache, dann werfe ich mir das tagelang vor – und bin jedes Mal erstaunt, dass Soudi nicht dasselbe tut. Wenn wir uns wiedersehen, hat er längst vergessen, dass ich beim letzten Mal Quatsch gemacht habe und freut sich genauso wie immer. Genau wie ich ihm das nie vorwerfen würde, wirft er mir das auch nicht vor. Es ist ok. Ich darf auch mal einen schlechten Tag haben! Also daraf ich mir das auch selbst zugestehen. Und das gilt auch für Dich!
Hab Geduld mit Dir selbst – nicht nur mit Deinem Pferd!
Die Ungeduld hat jetzt ein Ende. Natürlich geht das nicht von heute auf morgen. Genauso wie ich daran arbeiten musste, meinem Pferd mit Geduld und Nachsicht zu begegnen, muss ich jetzt daran arbeiten, mir selbst auch diesen Gefallen zu tun. Das wollte ich mir Dir teilen, falls es Dir auch so geht. Denk mal darüber nach, was für einen Anspruch Du eigentlich an Dich stellst – besonders wenn es ums Reiten geht. Wir haben alle schon so viel Druck und Verantwortung, der wir nicht entgehen können, da sollten wir doch zumindest mit uns selbst ordentlich umgehen und uns helfen, statt uns zusätzlich zu stressen, oder? Der Weg zum perfekten Reiter wird dadurch auch nicht kürzer. (Falls jemand ne Abkürzung findet, darf er gern einen Gastartikel bei mir veröffentlichen! 😉 )
Fehler machen ist erlaubt
Diese erste Reitstunde seit Wochen, vor der ich solche Angst hatte, war großartig. Ich war richtig gut – fand ich, fand meine Trainerin und – am aller wichtigsten – fand mein Pferd. Habe ich Fehler gemacht? Ja klar. Aber die Welt hat sich weitergedreht, wir haben drüber gelacht und es dann besser gemacht. So wie ich das auch mache, wenn Soudi mal Quatsch macht.
8 comments
Eine Wohltat, der Text 🙂 Ich weiß genau, wie du dich fühlst. Mir geht es bei Kundenpferden so. Da muss immer alles perfekt sein. Und je mehr ich das anstrebe, desto schwieriger wird es. Statt einfach das zu geben, was man hat, und zuversichtlich zu sein, dass es genug sein wird. Wir sind nicht perfekt, wir alle machen Fehler. Na, und? Die Einsicht hatte ich schon vor längerer Zeit – aber die Anwendung, Nachsicht und Geduld mit sich zu haben, fällt mir nach wie vor schwer.
Das kann ich mir vorstellen! Da wäre ich sicher auch besonders perfektionistisch. Ich habe mich mit meiner Reitbeteiligung da so reingesteigert, glaube ich. Für mich ist guter Unterricht eine riesen Hilfe, weil ich damit natürlich aus meinen Fehlern mehr lerne und auch ein bisschen von der Verantwortung abgebe. Das witzige ist, dass ich das bei Soudi gar nicht so sehr habe. Natürlich reite ich ihn jetzt auch noch nicht. Aber mir haben so viele vorher gesagt, dass es total bescheuert ist sich so ein junges Pferd zu holen und dass ich dafür nicht genug Erfahrung habe… Ich hab’s trotzdem gemacht und bisher haben wir alles großartig gemeistert. Aber solche Sachen sehe ich viel zu selten. Stattdessen hänge ich mich an Kleinigkeiten auf, die schiefgegangen sind…
Oh Gott, gerade wir Frauen sind ja oft so gnadenlos mit uns selbst. Ich kenne diese Momente auch. Carey darf jeden Fehler der Welt machen und er ist kurz danach sofort vergessen, wir starten neu und ich finde es absolut in Ordnung – bei ihr. Bei mir kann ich mich auch tagelang zerfleischen, weil ich mich frage ob ich diese oder jene Schulterbewegung zu spät gemacht habe – genau wie im Job und im Leben. Es ist doch wirklich merkwürdig, dass wir mit allem und jedem Geduld haben, nur mit uns selbst nicht. Aber dein Beitrag ist ein wunderbares Plädoyer und trifft genau meine Stimmung – denn ähnliche Gedanken hatte ich mir am Wochenende gemacht und beschlossen einmal durchzuatmen 🙂 Ganz liebe Grüße und danke für den schönen Text, Petra
Ja, geht mir auch so. Selbst jetzt wo mir das Licht aufgegangen ist, passiert es mir immernoch regelmäßig. Ich trete dann in Gedanken immer einen Schritt zurück, wenn ich das merke, und atme einmal tief durch. Genauso tue ich das auch bei Soudi… Und das macht meistens schon einen riesen Unterschied.
Oh Sophie, du glaubst gar nicht, wie sehr du mich damit triffst. Wie oft ich heulend auf dem Pferd saß – bei meiner alten Reitlehrerin. Zum Schluss in jeder Reitstunde. Weil ich es nicht geschafft habe, weil wir uns absolut auf mich fokussiert haben, weil es immer darum ging, dass der Reiter perfekt sein muss, damit das Pferd ordentlich läuft. Jede Stunde bin ich an mir selbst gescheitert, hab geheult, bin sauer geworden. Und nichts hat sich verbessert (ganz am Anfang schon, aber im letzten Unterrichtsjahr nicht mehr).
Meine neue RL sagt, ich soll den Fokus von mir weg nehmen und einfach reiten. Es sei schön, dass ich weiß, welche Fehler ich gemacht habe bei einer Übung, sagt sie. Aber ich soll da nicht weiter drüber nachdenken, und es einfach nochmal versuchen. Und nochmal und nochmal und nochmal und positive Gedanken haben. Ich soll mir vorstellen, wie es funktioniert.
Letztens hat sie ein tolles Bild bei mir hervorgerufen. Sie sagte „Stell dir vor, wie sein Widerrist dir entgegen kommt und er sich vorn aufrichtet“.
Sie hat NICHT gesagt: „Lass die Schultern locker fallen, setz dich gleichmäßig in die Mitte, richte ihn gerade indem du mehr Sicherheit am rechten Zügel gibst und links loslässt, schwing mit, guck nach vorne.“
Aber genau das ist passiert. Die Vorstellung, wie mein Pferd unter mir perfekt läuft, große Schritte macht, mit im Widerrist entgegen kommt. Die hat mich zu einem besseren Reiter gemacht.
Liebe Svenja,
großartig, dass Du nun so eine tolle Reitlehrerin gefunden hast. Das kann so unheimlich viel verändern. Mir geht es ähnlich: Ich nehme ja jetzt wieder regelmäßig Unterricht und es macht einfach richtig Spaß. Meine Reitlehrerin bringt mir schon bei zu merken was ich falsch mache, aber ohne Wertung. Statt mich deswegen zusammenzustauchen oder anzubrüllen (alles schon erlebt), hilft sie mir, indem sie mir sagt wie ich es besser machen kann. Und genau wie Du sagst schmeißt sie dabei nicht mit Floskeln um sich, sondern gibt wirklich hilfreiche Tipps, die wirklich alles verändern. So kann man dann auch Fortschritte machen und merkt: Hey, klar mache ich Fehler, aber nur dadurch lerne ich ja.
Dein Artikel hat mich gerade aus so einer Situation aufgeweckt!! Danke!!
Ich habe neuerdings eine reitbeteiligung. Und im Vergleich zu den Schulpferden die 8 Jahre geritten bin erfordert mein zwar super braves Pferd, ein völlig anderes Niveau der reiterei. Es muss plötzlich klappen das pferd ordentlich in die Anlehnug zu reiten, dazu noch mit feiner Hand und lockerer Haltung. Aber diesen Druck macht mir nicht meine Reitleherin ider die Besitzerin. Im Gegenteil. Nach jeder Sitzschulung steige ich vom Pferd und denke mir das ich doch nach fast 9 jahren reiten immer noch wie der letzte Anfänger auf dem Pferd sitze. Dabei ist einfach die Erwartung von mir selbst an mich zu hoch. Wie soll es nach 5 Wochen aussehn wie beim Profi??
Vielen Dank für die Erkenntnis…..So einfach es auch scheint, von alleine wär uch sicher nicht draufgekommen beim nächsten mal zu versuchen einfach ohne Erwartung auf das Pferd zu steigen und sich hinterher auch mal über due kleinen Vortschritte zu freuen die man ja trotz allem macht.
Liebe Tabea,
es freut mich sehr, dass Du zu dieser Erkenntnis gekommen bist und ich ein bisschen dazu beitragen konnte. Ich weiß genau wie Du Dich fühlst, mich hat die Erkenntnis ja genauso überraschend getroffen. Ich arbeite jetzt gerade beim Reiten immer dran den Augenblick zu genießen und nicht die Zeit damit zu verschwenden an überhöhten Erwartungen zu scheitern. Oft klappt es sogar und ich glaube kaum wie viel Spaß das Reiten mir dann wieder macht. Aber an einem schlechten Tag falle ich auch noch leicht wieder in das alte Schema zurück, so wie gestern zum Beispiel. Aber das macht nichts, man muss einfach auch an der Geduld mit sich selbst weiter arbeiten. Ich wünsche Dir ganz viele glückliche und unbeschwerte Momente – und die Fähigkeit eure Fortschritte zu sehen und Dich darüber zu freuen.