Nein, es sind nicht nur die Turnierreiter. Und nein, es sind auch nicht alle Turnierreiter. Und trotzdem hacken so viele immer auf den Turnierreitern rum. Warum das ungerecht und trotzdem richtig ist.
Als sich Totilas vor ein paar Wochen nach langer Pause wieder in Dressurviereck zeigte, war die Pferdewelt gespalten. Die einen jubelten darüber, dass der Wunderhengst wieder seinen Glanz in den Turniersport bringen würde. Die anderen sahen ein gebrochenes Pferd, das längst auf der Weide stehen sollte. Die Diskussion, die daraufhin entbrannte ging aber weit über die „Sache“ hinaus. Es ging dabei um den Reitsport im Allgemeinen, um die Richtung in die er sich entwickelt und um die Frage nach Gut und Böse.
Freizeitreiter vs. Turnierreiter
Die alte Kluft scheint heute mit jedem Turnier größer zu werden. Die Freizeitreiter gegen die Turnierreiter – und umgekehrt. Weil der Turniersport im Rampenlicht steht, tauchen auch immer wieder Trainingsmethoden und Umgangsformen mit den Pferden auf, die niemand sehen möchte. Kritik kommt dann häufig (aber nicht nur) aus der Freizeitreiterszene. Leider wird dabei auch viel verallgemeinert. Da sind dann alle Turnierreiter böse Tierquäler, die nur an den eigenen Erfolg und das große Geld denken.
Umgekehrt verweisen die angegriffenen Turnierreiter dann gerne darauf, dass die Freizeitreiter (auch hier im Allgemeinen) ja nur auf ihren Pferden rumjuckeln würden, sie nicht vernünftig ausbilden und gymnastizieren würden und damit ihre Gesundheit ja erst recht gefährdeten.
Die Wahrheit ist grau…
…und leider – wie so oft – nicht schwarz oder weiß. Es gibt Freizeitreiter denen das Wissen fehlt, um ihre Pferde gesund zu halten und zu reiten. Es gibt auch unter den Freizeitreitern einige, die ihre Pferde mit fragwürdigen Methoden maßregeln, die die Grundbedürfnisse ihrer Pferde ignorieren oder ihnen alles durchgehen lassen und sich dann wundern, dass ihr Pferd nicht mehr handelbar, krank oder gar gefährlich wird.
Es gibt Turnierreiter, für die Rollkur eine legitime Trainingsmethode ist. Für die es normal ist, dass ihre teuren Turnierpferde nie auf die Weide und schon gar nicht in Pferdegesellschaft kommen. Es gibt Turnierreiter, die ihr Pferd stundenlang longieren, damit sie es reiten können, die mit aller Kraft an den Zügeln reißen oder ihre Sporen mit voller Kraft in die Rippen hauen.
Das alles gibt es. Aber es gibt auch die anderen – und ich hoffe sehr, dass sie in der Mehrheit sind. Es gibt Freizeitreiter, die sich intensiv mit den Bedürfnissen und der Biomechanik ihres Pferdes beschäftigen. Die sich informieren, ihren Pferden eine fundierte Ausbildung geben, sich Zeit lassen und nach dem Stand des Pferdes richten. Es gibt diese Freizeitreiter, die eine harmonische Beziehung mit ihrem Pferd führen und ihm Stabilität und Führung bieten.
Und es gibt diese Turnierreiter, die ihre Pferde pferdegerecht ausbilden, ihnen ein Leben auf der Weide mit Bewegung und Freunden ermöglichen. Die ihre Pferde nicht strafen, sondern motivieren und für die das Wohl ihrer Pferde über dem sportlichen Erfolg steht.
Ich habe diese Paare schon gesehen. Auf beiden Seiten. Und auf beiden Seiten hatte ich das Gefühl, dass die Pferde glücklich mit ihrem Leben und ihrem Menschen waren.
Warum ich trotzdem weiter auf Turnierreitern rumhacken werde
Turnierreiter haben eine Vorbildfunktion. Sie stehen im Rampenlicht, sind überall sichtbar. Unsere jungen Reiter-Mädchen sehen sie auf Turnieren live oder im Fernsehen. Freizeitreiter sehen sie, die Öffentlichkeit sieht sie. Was bei den Turnierreitern schief läuft, das verbreitet sich und wird unter Umständen als „normal“ hingenommen. Wenn Rollkur auf dem Abreiteplatz nicht geahndet wird, wenn heftige und schmerzhafte Einwirkung durch den Reiter nicht kritisiert wird, woher sollen die Zuschauer dann wissen, dass es so nicht sein muss?! Eigentlich wäre das die Aufgabe der Richter. Wenn sie ihren Job machen und Gewalt gegen das Pferd als solche behandeln würden, dann müsste ich mich nicht darüber aufregen. Aber das passiert nicht. Und wenn die Richter ihrer Aufgabe hier nicht nachkommen, dann müssen wir das eben tun. Es geht mir hierbei nicht um den Turniersport an sich, sondern darum, dass diese fiesen Methoden vorkommen und oft genug als normal hingenommen werden. Wenn ein Turnierpferd mit mechanischen Bewegungen über den Platz stolpert, offensichtlich verspannt ist und die Richter das mit Top-Noten bewerten – woher soll ein ahnungsloser Freizeitreiter dann wissen, dass es nicht so aussehen sollte?! Und das darf nicht sein.
Kritik am Reitsport muss erlaubt sein – weil wir am Ende doch alle das Gleiche wollen
Wenn Du ein Turnierreiter bist, dann würde ich Dich bitten mir eine Frage zu beantworten: Was möchtest Du für einen Umgang mit Pferden sehen?
Wenn Du ein Freizeitreiter bist, dann würde ich Dich bitten mir eine Frage zu beantworten: Was möchtest Du für einen Umgang mit Pferden sehen?
Ich bin mir ziemlich sicher, dass bei euch beiden das Gleiche steht.
Ich möchte im Reitsport ( im Freizeit- und im Turnierbereich) ein harmonisches Miteinander ohne Gewalt sehen. Ich möchte, dass die Pferde frei, leicht, kraftvoll und ohne Schmerzen laufen. Dass sie gesund bleiben und ein glückliches und ausgeglichenes Leben mit Bewegung und Artgenossen führen. Ich möchte, dass alles was im Turniersport gegen diese Regeln verstößt von den Richtern geahndet wird. Und zwar wirklich scharf. Denn nur dann wird sich durchsetzen, dass man nur mit fairen und pferdefreundlichen Mitteln erfolgreich sein kann. Das ist es was ich mir wünsche.
Um das zu erreichen werde ich auch weiterhin Kritik üben. Und das wird in vielen Fällen Turnierreiter treffen, weil ich es da eben sehe. Und weil nicht nur ich es sehe (und es andere beeinflussen könnte)! Aber meine Kritik trifft nicht die Turnierreiter in ihrer Allgemeinheit. Meine Kritik trifft alle, die gegen diese Regeln verstoßen. Egal ob es Turnier- oder Freizeitreiter sind.
Wenn sich der Reitsport – im Turnier- und Freizeitbereich – dahin entwickelt, dass wir reell gerittene Pferde sehen, die lange gesund bleiben und ausgeglichen und zufrieden sind, dann sind wir doch alle glücklich. Auch kritische Stimmen können so ein schönes und faires Turnier genießen.
* Titelbild: „WCLV07f“ by Fotoimage – Own work. Licensed under Public domain via Wikimedia Commons.
2 comments
Kann ich voll und ganz unterschreiben. Und so sehr ich die Turnierreiter gerne über einen Kamm scheren würde – auf der CHIO gab es ein paar sehr, sehr tolle Ritte. Sam und Jung etwa. Großes Kino (ich schaue gern die Vielseitigkeitsdressur, da die Pferde nicht diese Megagänge haben und gutes Reiten da eine größere Rolle zu spielen scheint als Talent beim Pferd). Leider auch wieder einige absolut kranke Vorführungen – ich weiß nicht, wie der Reiter heißt, das Pferd war Flirt, ein Fuchs. Eine Schwedin (oder Finnin) hat ihr Pferd auch bis zum geht nicht mehr zusammengezogen. Solche Leute gehören disqualifiziert. Die deutsche Reiterin, die sich ihr Schlüsselbein gebrochen hat: Ihr Pferd war von Anfang an im Parcours völlig außer Kontrolle, sie hing in den Zügeln, nahezu konstant. Da wundert es mich nicht, dass es Unfälle gibt.
Liebe Nadja,
ja, ich habe auch ein bisschen geguckt und Schönes wie Unschönes gesehen. Einige Dressurvorstellungen fand ich richtig elegant und harmonisch.
Andererseits habe ich die mit dem geschlossenen Schlüsselbein auch gesehen und ich gebe Dir völlig Recht: Das war wirklich kein Wunder. Vor dem Hindernis hat sie so stark eingewirkt, dass das Pferd überhaupt keinen Takt halten geschweige denn den Absprung richtig schaffen konnte. Wenn da mal entsprechend gerichtet würde, dann würde das so viel ändern… Aber ich freue mich, dass es auch einige wirklich schöne Vorstellungen gab. Mehr will ich ja gar nicht! ^^