Normalerweise ist der Stall unser Lieblingsort. Dort gehen wir hin, wenn wir Spaß haben, entspannen oder etwas lernen möchten. Dort warten unsere Freunde (mit zwei und vier Beinen), es scheint immer die Sonne (naja, fast immer) und überhaupt ist jeder Besuch dort wie eine Woche Urlaub. Meistens.
Wir quälen uns gerne durch Stalldienste in Regen und Kälte, stecken Stürze weg und auch den gelegentlichen blauen Zeh. Wir genießen unsere Zeit mit den Pferden und wenn uns diese weiche, warme Nase die Frisur zerwühlt, dann wissen wir auch ziemlich genau warum.
Die dunkle Seite des Pferdemensch-seins
Aber immer wieder begegnet mir in Gesprächen die dunkle Seite des Pferdemensch-seins. Die Zeiten, in denen der Stall kein Wohlfühlort mehr ist. Denn auch wenn wir das alle nicht wahrhaben wollen: Es gibt sie, die Zeiten, in denen das Pferd zur Belastung wird. Es trifft bestimmt nicht jeden und zum Glück geht dieses Gefühl auch irgendwann wieder. Aber fast jeder Pferdemensch, den ich kenne, ist irgendwann schonmal an seine Grenzen gekommen. Die Sorgen, die Kosten, die Zeit, die in unser Hobby fließen, können manchmal einfach zuviel werden.
Ein dauerkrankes Pferd oder Probleme, mit denen wir einfach nicht weiterkommen, können ganz schön an den Nerven zerren. Gerade unter den Selbstversorgern können einem die Verpflichtungen schnell mal über den Kopf wachsen. Natürlich wird keiner von uns das seinem geliebten Vierbeiner vorwerfen, aber ich bin sicher, es gibt nicht wenige, die in einer dieser dunklen, durchwachten Nächte mit tränenverschmiertem Gesicht dagesessen haben und sich ganz tief drinnen, ganz kurz gewünscht haben, sie hätten all diesen Stress nicht. Zumindest ging es mir so.
Das Gefühl geht vorbei – zum Glück! – und aus diesem Wunsch spricht die Verzweiflung des Erschöpften. Natürlich habe ich mir nie wirklich gewünscht, dass ich irgendwas anders gemacht hätte. Dazu bin ich viel zu glücklich über all die wunderschönen Stunden, die Soudi und ich zusammen haben, aber in dieser Nacht, in diesen dunklen Stunden konnte ich einfach nicht mehr. Der Stall war zum Synonym geworden für Sorgen und Herzschmerz. Das Hinfahren eine Pflicht, die Zeit dort hatte ihre Leichtigkeit verloren.
Ich war ausgebrannt…
Im Oktober 2015 wurde Massoud kastriert. Die Entscheidung war mir nicht leicht gefallen, aber alternativlos für ein glückliches Pferdeleben. Die OP selbst lief gut und für ein paar Tage sah es aus als würden wir komplikationslos davonkommen. Dann entzündete es sich. Wir gaben Antibiotika und spülten, die Tierärztin kam täglich, wochenlang. Aber wir bekamen es nicht in den Griff. Nach vier Wochen, in denen Soudi schrecklich abgebaut hatte, zog ich die Notbremse und brachte ihn in die Klinik. Die Entzündung war in den Samenstrang aufgestiegen und wir schrammten haarscharf an einer Samenstrangfistel-OP vorbei. Aber unter den besseren Behandlungsbedingungen schlugen die Medikamente endlich an und nach fünf weiteren Wochen war er endlich wieder gesund und wir durften Weihnachten zuhause verbringen. Zehn sorgenvolle, stressige Wochen und ein paar tausend Euro später war Soudi also zwar zum Glück wieder gesund, aber ich war ausgebrannt. Zweieinhalb Monate, in denen ich jeden Tag zu ihm musste, um zu spülen, Tierärzte zu treffen oder dem Armen Bewegung und Abwechslung zu verschaffen – jeder einzelne Tag bestand aus Hin- und Hergehetze, aus Sorgen, aus Mitleid und aus Angst, dass Soudi am Ende nicht gesund werden würde. Ich konnte nicht mehr. Selbst als er wieder zuhause war, hatte ich, wann immer ich zu ihm fuhr, Angst, dass es wieder losging, dass die Entzündung wiederkam oder etwas anderes passiert war. Manchmal weinte ich auf dem Weg dorthin im Auto leise vor Verzweiflung.
Und ich brauchte Monate, bis ich dieses Gefühl endlich hinter mir lassen konnte. (Falls sich jetzt noch jemand gefragt hat, warum es auf Chevalie so still geworden ist, dann ist das die Antwort 😉 )
Ist das ein Einzelfall?
Ich glaube kaum, aber über sowas redet man nicht. Man sagt nicht, dass man nicht mehr kann, dass das eigene Pferd zu einer Belastung geworden ist. Aber ich finde es falsch dieses Thema zu tabuisieren, weil es jeden treffen kann – und viele von uns auch wirklich irgendwann erwischt. Denn wenn das Pferd monatelang fünf mal am Tag Medikamente braucht oder einen zum 130. Mal absetzt, dann ist es keine Schande, wenn man irgendwann erschöpft und verzweifelt ist. Denn dann kommt alles andere zu kurz, allen voran man selbst. Jeder von uns braucht Zeit, um sich zu erholen, Zeit, um seine Sorgen und Ängste zu verarbeiten. Aber es gibt Phasen im Leben eines Pferdebesitzers, in denen es diese Zeit nicht mehr gibt.
Das sollte kein Tabuthema sein
Ich finde es auch falsch, dieses Thema zu tabuisieren, weil dann jeder von uns allein damit ist. Dabei können wir, wenn wir ehrlich sind, unsere verzweifelte Stallkollegin leider viel zu gut verstehen. Und vielleicht würde ihr das allein schon helfen, denn so kommen zu all den Sorgen und Ängsten oft auch noch die Schuldgefühle. Und das ist Unsinn. Denn natürlich bedeutet es nicht, dass wir unser Pferd nicht mehr lieben, wenn wir uns irgendwann in einer dunklen Stunde einmal wünschen, dass es aufhört (denn wir meinen die Sorgen und den Stress und nicht das Pferd) – ganz offensichtlich sind wir ja bereit für dieses Tier durch die Hölle zu gehen (so kann es sich tatsächlich anfühlen). Sonst würde es uns ja auch nicht so nahe gehen…
Seid füreinander da!
Ich wollte diese Geschichte mit euch teilen, weil ich es wichtig finde, dass wir aufeinander achten. Achtet auf eure Stallkolleginnen und nehmt sie ruhig einfach mal in den Arm, wenn ihr merkt, dass sie vielleicht auch gerade am Ende ihrer Kräfte ist. Vielleicht könnt ihr ihr helfen und ihr ein kleines Stück der Last abnehmen? Denkt daran, dass es jeden von uns treffen kann und ich wünsche euch allen eine wundervolle Stallgemeinschaft, die euch dann so gut es geht auffängt. <3 Denn so richtig nachvollziehen was es bedeutet ein Pferd zu haben – in guten wie in schlechten Zeiten – können nur andere Pferdemenschen.
Heute gehe ich wieder gern in den Stall und selbst wenn irgendwas sein sollte, wirft mich das nicht sofort wieder aus der Bahn. Aber auch mir ist die Verantwortung zwischenzeitlich einfach über den Kopf gewachsen. Wenn es Dir gerade auch so geht, dann bist du damit nicht allein!
Habt ihr auch schon so schwierige Zeiten hinter euch? Ich habe ein paar solcher Geschichten aus meinem Umfeld schon gehört oder miterlebt und finde es wichtig, dass mehr darüber geredet wird. Teilt eure persönlichen Erfahrungen, um anderen Mut zu machen – denn zum Glück gehen auch die schwersten Zeiten irgendwann vorbei. <3
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Nordfalben hat es getroffen und auch hier lest ihr über die Kehrseite des Pferdemensch-Seins.
Die Autorin Celeste Drake hat es getroffen und sie hat einen wunderschönen Artikel mit vielen hilfreichen Tipps geschrieben: Den findet ihr hier.
Franziska von Tipps-zum-Pferd hat schwere Zeiten mit ihrem Macy durchgestanden.
Und die Chaotenranch hatte auch bereits mit Burn Out und Winterblues zu kämpfen.
Foto: ambrozinio
21 comments
Liebe Sophie,
was für ein emotionaler, von Herzen geschriebener Text. Ich finde es wahnsinnig toll, dass du dich diesem Thema widmest. Es stimmt – jeder von uns geht auch mal durchs Tal und nicht immer kann man absehen, wann endlich wieder die Sonne scheint. Ich wünsche dir und deinem kleinen Soudi alles Glück der Welt. Diese Geschichte hat euch näher zusammengeschweißt und vielleicht kannst du auch anderen Pferdemenschen Mut machen, die sich gerade ausgebrannt und hilflos fühlen.
Liebe Miri,
danke Dir! Ich hoffe auch, dass der eine oder andere sich vielleicht ein bisschen verstanden fühlt, der vielleicht selbst gerade in der Situation ist. Und für uns hoffe ich natürlich, dass uns weitere solche Erlebnisse erspart bleiben. Aber wir sind definitiv gestärkt aus dieser Erfahrung hervorgegangen.
Liebe Grüße,
Sophie
Liebe Sophie,
vielen Dank für deinen Artikel.
Ich befürchte im Normalfall hört es sich bei uns so an als ob alles super läuft. Aber ehrlich gesagt stecke ich gerade in der Situation in der du dich vor ein paar Monaten befunden hast. Ich kann fast nicht mehr. Nicht, weil aus Parcival gerade ein Problempferd geworden ist, sondern weil er einfach gesundheitlich nicht fit ist.
Er hat seit Jahren Probleme mit der Leber. Das ist ein ständiges hoch und runter. Ein Hoffen und Bangen vor jedem Blutabnehmen. Leider haben wir bis heute keine eindeutige Diagnose. Trotz verschiedener Tierärzte, Tierheilpraktiker, Tierklinik und irgendwann sogar Tierkommunikatorin. Ich glaube wir haben alles untersucht was irgendwie geht vom Wasser, Gras, Heu über den Boden. Wir haben alles ausgetauscht wo irgendwo irgendwelche Schadstoffe sein könnte und was ist? Am Montag hole ich beim Tierarzt das Blutbild ab und wieder erhöhte unerklärliche Werte. Die Suche nach der Ursache und Behandlung hat mich schon einige tausende Euro gekostet. Nicht, dass ich das bereue, aber ich habe das Gefühl es bringt alles nichts. Erst letzte Nacht bin ich wieder verzweifelt im Bett gelegen und hab mich in den Schlaf geweint, weil ich einfach nicht weiter weiß. Zumal er nicht mein einziger Sorgenfall ist. Mittlerweile hat unsere Familie Zuwachs in Form von einer kleinen Stute bekommen. Kaum zwei Wochen bei mir, fällt mir auf, dass sie beim Laufen schwankt. Diagnose: Ataxie. Die Vermutung der Tierärztin war ein gebrochener Halswirbel. Was für ein Schock. Ab mit ihr in die Tierklinik. Der Bruch konnte nicht bestätigt werden, aber wir wissen auch nicht was sie eigentlich hat. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich um eine Prellung handelt und Nervenbahnen dadurch beschädidt sind.
Nun haben wir sie aus der Herde rausgenommen und sie steht in einem anderen Stall. Also bedeutet das für mich tägliche Fahrerei, erst zum Ponymann und dann zum nächsten Sorgenfall. Beides ca. 20 cm auseinander und in die jeweils andere Richtung von mir zu Hause, also auch so ca. 20 km bis zu mir. Ich fahre täglich ne Stunde mit dem Auto nur hin und her um überhaupt zu den Pferden zu kommen.
Dazu kommt die Sorge was aus der Maus wird. Noch immer ist nicht klar, ob sich die Ataxie wieder bessert. Wenn nicht, kann es so nicht weitergehen. Dann muss ich mich von ihr verabschieden, denn so kann sie nie wieder in einer Herde leben. Dazu kommt, dass sie sich in der Tierklinik noch einen Husten eingefangen hat. An und für sich nichts super dramatisches, aber sie ist ja sowieso schon so angeschlagen. Also Antibiotika rein ins Pferd und hoffen. Zum Glück gab es hier dann eine Besserung. Die Freude hat aber nicht lange gehalten. Plötzlich hat sie sich komplett wund gekratzt. Sie hat am gesamten Hals gar kein Fell mehr und richtig offene Stellen. Der nächste Schock und die Frage was ist das? Hat sie Haarlinge oder irgendwas? Eher nein, dafür sehen die Stellen zu merkwürdig aus. Sind es womöglich Nervenschmerzen? Was dann? Bisher sieht es zum Glück so aus, dass es wohl nur trockene Haut durch’s Cortison war. Also ganz viel Babyöl drauf und hoffen, dass es besser wird, sobald das Cortison abgesetzt ist. Einmal der Wunsch das Cortison schnell loszwerden und dann aber auch die Angst davor, wie sie läuft, wenn das Cortison abgesetzt ist…
Ja momentan wünsche ich mir manchmal, dass ich einer der Menschen wäre, die mit Tieren nichts anfangen können. (Ach ja zur Krönung des Ganzen hat mein Hund nun auch noch ne Bauchspeicheldrüsenentzündung.)Ich zweifle na mir selber. Was mach ich falsch, dass meine Tiere alle krank werden? Ich weiß keine Lösungen und habe keine eindeutigen Diagnosen. Wie behandelt man was, wo man gar nicht weiß was es ist? Meine gesamte freie Zeit (und ich habe nicht den Luxus dass ich nicht arbeiten gehen müsste) geht für meine Tiere drauf. Ich komme abends heim, koche das Futter für meinen Hund, falle ins Bett um morgens aufzustehen und die nächste Runde zu starten.
Aber ich liebe meine Tiere und will nicht wirklich einen Missen, denn am meisten setzt mir die Angst zu einen zu verlieren. Das ist das, was mich wirklich nachts weinen lässt. Was mich manchmal im Auto sitzen lässt und nicht aussteigen wollen. Die Angst, was ich vorfinde und dass ich eine Entscheidung treffen muss.
Sorry für den langen Jammerkommentar. Aber durch deinen Artikel musste ich es einfach mal loswerden.
Ich bin froh, dass es Soudi wieder besser geht und wünsche euch, dass es nun positiv weitergeht.
Liebe Grüße
Miriam
Liebe Miriam,
wow, das ist ja ganz schön viel was da auch bei Dir zusammen kommt. Es erzählen immer alle nur von den guten Seiten und das ist ja auch schön so. Die überwiegen ja meistens auch. Auch ich erzähle ja meistens nur von unseren Erfolgen und den schönen Momenten. Aber das was Du beschreibst gehört eben leider auch dazu. Und wenn man dann noch das Gefühl hat man ist damit alleine, dann fühlt man sich noch schlechter. Zumindest mir ging es so, dass ich auch noch schlimme Schuldgefühle hatte, wenn ich die ganze Situation dann nur noch als Belastung wahrgenommen habe. Dabei ist es normal, dass man mit so viel Verantwortung auch mal an seine Grenzen kommt. Und gerade die Angst davor dass es irgendwann doch nicht mehr weitergeht kann einen wirklich zermürben. Ich drücke euch ganz fest die Daumen, dass es Deiner Stute bald besser geht und dass ihr den Grund für Parzivals Leberprobleme doch noch findet. Ich wünsche Dir ganz viel Kraft um diese Zeit durchzustehen!
Ganz liebe Grüße,
Sophie
Ich kann das nur zu gut nachfühlen. Manchmal fragt man sich schon wieso man eigentlich Tiere hat. Wenn man in der Woche mehrmals zum Tierarzt rennt oder in der Nacht erst erwacht, weil der Hund hustet (Kehlkopfentzündung) und kaum hat man den beruhigt fängt die Husterei draussen an. Dann hat das Shetty wieder einen seiner Hustenanfälle.
Dazu eine riesige berufliche Belastung und Selbstversorger. Tja, letztes Jahr hatte ich mich schweren Herzens entschlossen die Ponys für 3 Monate auf die Alp zu geben. Eine super Entscheidung. Ich bekam etwas Luft und die Ponys genossen die Zeit.
Für mich haben die 3 Monate aber leider nicht gereicht um mich richtig zu erholen. Ich mussste so viel aufarbeiten, das liegen geblieben war.
Deshalb werden sie ab Anfang Juni bis Ende Oktober wieder auf die Alp gehen. Danach bin ich hoffentlich erholt und freue mich darauf sie abzuholen und wieder ständig um mich zu haben.
Liebe Grüsse
Claudia
Liebe Sophie,
danke für den schönen Artikel, er spricht mir wirklich aus der Seele. Nach 8 Jahren dauerhustendes Pferd weiß ich, wie kräftezerrend es sein kann ..und eigentlich wollte ich nur ein Pferd zum gemütlich Reiten. Letzes Jahr war das Asthma bei meiner Stute so schlimm, dass keiner geglaubt hat, dass sie den Herbst überlebt – aber es ist mit allen was ich gemacht habe nun besser geworden und es gab einfach auch keinen Tag, an dem ich 100%ig sagen hätte können, dass sie nicht mehr leben hätte wollen. Meine ganze Freizeit nach der Arbeit geht aber drauf mit Heu bedampfen, inhalieren, Pferd bewegen (so wie es eben gerade geht) etc. etc. und manchmal denke ich mir echt… warum tue ich das. Und dann sind Tage wie heute, die Koppeln sind schon offen und ich weiß, dass ich mich nach der Arbeit nicht so arg beeilen muss. Ich komme im Stall an und mein Pferd kommt mir von der Weide entgegengelaufen, weil sie weiß, dass sie ihre Heucobs und Kräuter bekommt 🙂 und sie begrüßte mich mit einem Brummeln. Dann geht irgendwie alles wieder leichter! Jeder Ausritte, den wir noch zusammen machen stärkt mich und gibt mir einfach wieder das Vertrauen, dass es das richtige ist, was ich da mache 🙂 Sie wird heuer 21 und ist seit sie 8 ist an meiner Seite und ich möchte keinen Tag davon missen. Ich bin derzeit immer am hin,- und herüberlegen, ob ich mir danach wieder ein Pferd kaufen möchte… aber zuerst werde ich wohl mal 3 Wochen Urlaub auf Bali machen!
Ich freue mich sehr, dass du einen neuen Stall gefunden hast und Soudi wieder fit ist!
Liebe Grüße aus Österreich
Klaudia
Liebe Sophie,
Als Jugendliche hatte ich eine kleine Stute und merke im Nachhinein, wie unbedarft und frei ich diese Zeit genossen habe.. Sie hatte lange eine ungeklärte Lahmheit. Durch Röntgenbilder kamen wir schließlich zur Diagnose Hufknorpelverknöcherung. Durch Pilzeisen bekamen wir es einigermaßen in den Griff. Früher machte ich mir aber nicht so viel Gedanken über Kräuter, Training, Gymnastizierung, Horsemanship und so weiter.. Und so weiter..
Seit September 2015 habe ich wieder ein Pferd nach guten 10 Jahren ohne Pferd. Er war Zuchthengst und völlig vernachlässigt. Das erste was ich machen lies, war die Kastration, damit er schnell auf die Koppel kann und in eine Herde integriert werden kann. Nach 3 Tagen Pferdeklinik war er wieder bei mir.. Nach 3 (!) Monaten entdeckte ich Eiter an der Kastrationstelle.. Schnell stand fest: Samenstrangfistel. Die Fahrt in die Klinik war schon organisiert.. Dann besann ich mich. Er hatte kein Fieber, hat normal gegessen, und sonst war er auch wie sonst. Ich entschied mich für eine parallele Behandlung aus Homöopathie und Schulmedizin. Von der Tierärztin bekam er Spülungen der Fistel mit Antibiotikum. Von der Homöopathin erhielt er Spritzen mit pflanzlichem antibiotikum, Silicea-Globuli und eine Nosode. Und tatsächlich: die Fistel heilte ohne Widerrede aus.
Während dieser Sache bangte ich täglich, dass die Fistel in den Bauchraum aufbrechen würde.. Und er dann wirklich in Lebensgefahr schweben würde. Die Sorge erdrückte mich fast.
Aber ich bin daran gewachsen und habe gemerkt, dass ich erwachsen geworden bin. In diesem Maß hätte ich mir vor 10 Jahren nicht Sorgen gemacht..
Liebste Grüße,
Janina
Super Thema und klasse geschrieben!!
Nur eine Ergänzung: Der Grund, warum man ausgebrannt ist oder sich gerade mal eine Zeit ohne Pferd wünscht, muss noch nicht mal fassbar oder für jeden anderen nachvollziehbar sein. Der Grund kann auch schleierhaft bleiben oder nicht verständlich für andere Menschen. Es gibt das Gefühl und man muss es zulassen – um seiner selbst Willen.
[…] Leichter gesagt, als getan. Mein Stresslevel hatte Züge angenommen, die keineswegs mehr als gesund anzusehen waren. Kinder, KiTa, Arbeit, Haushalt, Partnerschaft, Pferd … Da war keine Qualitätszeit mehr für mich, geschweige denn für Willow und mich. Auch die Trainingsstunden mit Anna, wurden schändlicher Weise zwischen Termine gequetscht. (Hier übrigens ein lesenswerter Artikel von Chevalie zum „Pferde-Burnout“) […]
Liebe Sophie,
ein sehr interessantes und auch emotionales Thema, das du dir ausgesucht hast.
Auch ich kenne diese Zeit oder diese Momente, in denen man sich alles anders wünscht.
Ich habe vor drei Monaten eine kleine Ponystute aus sehr schlechter Haltung gekauft/gerettet. Ja, es war ein sehr spontaner und vor allem unüberlegter Kauf, denn hätte ich auch nur 2 Personen mehr danach gefragt, wäre es mit Sicherheit nie dazu gekommen. Ich habs aber trotzdem getan und mir diese Verantwortung auf den Rücken gepackt – was auch nicht mehr rückgängig zu machen ist (das hab ich sehr schnell begriffen und in meinem Kopf verankert.).
Mit dem Umgang mit der Kleinen angefangen – sie lässt sich in ihrem kleinen Offenstall nur schwer anfassen und aufhalftern. Ist das Halfter einmal drauf, ist alles andere kein Problem mehr – abgesehen davon, dass sie anfangs keinerlei Respekt und Achtung vor dem Menschen hat. Ich kann es ihr aber auch nicht verübeln, ich glaube sie hatte noch nie Glück in ihrem Leben.
Nach den ersten zwei Tierarzt Terminen, wo sie geimpft, (entwurmt) und ihre Zähne gemacht worden sind, habe ich mich mal um ihre grauenhaften Hufe gekümmert. Der Hufpfleger war gar nicht lang da und stellte bereits fest, dass sie schon einige Reheschübe gehabt hat und ich sie mal röntgen lassen sollte.
Gesagt getan – und neben einer zufällig entdeckten fetten Arthrose (die zweite, von der wir wissen) war klar, dass das Hufbein sowohl abgesenkt als auch rotiert ist. Und das nicht wenig.
Ich habe viele Meinungen gehört. Sehr viele. Viele unterschiedliche und viele ähnliche. Letzten Endes habe ich für mich entschieden – lass sie einfach sein. Sie hat keine sichtbaren Schmerzen beim Laufen, kann fressen und einfach Pony sein, warum sollte ich nun groß die Hufe „reparieren“ (als ob die jemals heile werden!) lassen und sie mit unnötigen vielen Tierarzt Terminen stressen, wenn sie ohne das alles auch zufrieden ist und problemlos leben kann?
Ich arbeite auch nichts mit ihr. Ich komme zu ihr, wenn ich sie an ihren guten Tagen anfassen darf, putze ich sie eine Runde im Stall, kuschel ganz viel mit ihr und gehe dann wieder. An ihren schlechten Tagen lasse ich sie einfach in Ruhe.
Meine Eltern halten mich für verrückt, dass ich über 1500€ für ein Pony ausgegeben habe, von dem ich nun gar nichts habe. Natürlich – ich mach mir selbst auch oft Gedanken, wie viele Dinge ich mir für das Geld hätte kaufen können, die ich wirklich seit langem möchte. Aber das sollte ich nicht und jedes Mal wenn es mir in den Sinn kommt, verbanne ich meine Gedanken wieder!
Ich glaube meine kleine Loona ist mir dankbar, dass ich ihr nun so ein schönes restliches Leben ermögliche. Denn eins steht fest – egal was kommt, sie bleibt bis zum Ende.
Liebe Jule,
ich finde Deine Einstellung bewunderswert und wirklich toll. Es ist ok sich auch mal Gedanken zu machen, was man hätte tun können, wenn man diese Entscheidung nicht getroffen hätte. Ich glaube an diesen Punkt kommt jeder mal und mit Deiner Geschichte ist das mehr als nachvollziehbar. Es ist natürlich schade, dass Du nichts mit ihr machen kannst, aber zum Glück hast Du ja trotzdem was von ihr. Ich wette ihre guten Tage sind auch für Dich gute Tage, oder? Und ihre schlechten vermutlich eine willkommene Auszeit im hektischen Alltagsleben? Ich hoffe auf jeden Fall, dass Du es so sehen kannst. Denn das ist etwas, was ich zwischendurch aus den Augen verloren habe, jetzt aber umso mehr genieße. Ich habe natürlich das Glück mit Soudi arbeiten zu können, aber sich einfach mal zu ihm zu setzen und ihm beim Grasen zuzusehen, das ist ein wichtiger Bestandteil unserer Beziehung. Das erdet mich und stärkt unser Vertrauen. Kurz: Es tut uns beiden gut. Es gibt so vieles was uns Pferde geben können, selbst wenn wir einfach nur bei ihnen sind. <3 Ich wünsche euch alles Gute und viele, viele gute Tage! <3
Ich habe mit meiner Stute auch eine sehr schwere Zeit hinter mir und von daher berührt mich Dein Artikel zutiefst. Vielen Dank für diesen tollen Beitrag!
Ich hatte meine Stute kaum ein halbes Jahr, da haben uns zwei schwere Kolik-OP’s innerhalb 9 Tagen ereilt. Mein Pony stand letztendlich mit kurzer Unterbrechung fast 4 Monate in der Klinik. Sie hätte aus medizinischer Sicht früher nach Hause gekonnt, aber ich ließ sie dort nach ihrer Boxenruhe zum „Antrainieren“, denn (wenn ich ehrlich bin) konnte ich einfach nicht mehr. Ich war zwar fast jeden Tag nach der Klinik dort, aber ich hatte wahnsinnige Angst vor der Verantwortung. Die Leichtigekeit im Umgang mit meinem Pferd war verschwunden, das Ganze eine immense Belastung (psychisch und finanziell) und ich ein nervliches Wrack.
Heute sind wir seit 5 Monaten wieder zu Hause im heimischen Stall. Meine Stute ist wieder top fit, wir genießen lange Ausritte, unsere Bindung und das Vertrauen sind stärker als zuvor.
Dennoch bin ICH immer noch nicht so ganz geheilt. Ich sehe die Dinge mit andern Augen, bin nicht mehr so unbekümmert… Ich bin fast jeden Tag am Stall, weil ich die wertvolle Zeit mit meinem Pony genießen möchte und weil ich auch anders keine Ruhe habe…
Ich bin einerseits total happy, dass das Drama so gut ausgegangen ist, muss aber trotzdem noch an mir arbeiten, mehr loszulassen.
Meine Entscheidung zu einem eigenen Pferd habe ich zu keiner Zeit bereut! Und dennoch kenne ich das Gefühl, dass einem gerade alles zu viel wird und über den Kopf wächst. Ich denke, man muss dann auch an sich selbst arbeiten (und wenn es noch so schwer fällt), einen Gang zurückzuschalten.
Grüße
Alex
Hallo Alex, bitte entschuldige, dass ich jetzt erst antworte. Ich war lange inaktiv und gehe gerade all die Kommentare durch, die mir entgangen sind.
Oh man, ich kann mir vorstellen wie sehr einen das verfolgt. „Kolik“ schwebt, glaube ich, über uns allen immer wie das Damokles Schwert und wenn es dann wirklich passiert, hängt einem das sicher ewig nach. Ich hoffe, Du hast inzwischen die Leichtigkeit mit Deinem Pferd zumindest ein Stück weit wiedergefunden und es geht euch beiden gut.
Oh man du sprichst mir aus der Seele. Ich stecke gerade mittendrin. Mein Pferd hat sehr schlechte Hufe und kein Schmied hat ihn bisher hinbekommen. Da mich mein letzter Schmied 3 mal versetzt hatte musste nun ein anderer her. Anweisung war nix an der Sohle wegnehmen und nur minimal Zehe kürzen. Nun ich hab einmal nicht hingeschaut und er schnitzte fleissig in der Sohle rum. Das Ergebnis ein Stocklahmes Pferd. 3 Tage später stand er nur noch auf 3 Beine und dann fing auch noch sein Hinterbein an wieder dick zu werden womit wir erst 10 Tage in der Klinik standen. Vorne war es nun soweit das wir damit auch in die Klinik mussten. Es war ein Hufgeschwür was aufgemacht werden musste. Ich hab seit Tagen nicht richtig geschlafen, ständig in Sorge um das Pferd aber auch in Sorge was da jetzt wieder für Kosten auf mich zu kommen. Mittlerweile bin ich soweit zu sagen, nie wieder ein Pferd. Ich kann das alles so nach vollziehen. Heute war ich am Stall und mein Pferd sah zum ersten mal wieder munter und zufrieden aus und nun geht es mir auch schon wieder etwas besser.
Hallo Tanja, bitte entschuldige, dass ich jetzt erst antworte. Ich war lange inaktiv und gehe gerade all die Kommentare durch, die mir entgangen sind.
Ich hoffe sehr, dass es euch beiden inzwischen wieder gut geht und ihr die gemeinsame Zeit genießen könnt. Leider gehören solche Zeiten dazu. Ich drücke euch die Daumen, dass ihr in Zukunft mit dem Schmied mehr Glück habt!
Hey Sophie,
mein kleiner und ich haben auch gerade eine schwere Zeit. Denn ich weiß nicht, ob ich ihn behalten kann. Damals haben du und Soudi mich dazu inspiriert auch ein junges Pferd zu kaufen. Denn ich wollte eine bestimmte Rasse und es war sehr schwer etwas passendes, gerittenes, gutes zu finden. Aber deine Geschichte hat mir Mut gemacht und so habe ich einen zweijährigen gekauft. Meine Vorgeschichte ist deiner sehr ähnlich.
Leider, durch Trennung von meinem Mann jetzt alles andere als leicht zu bewältigen. Manchmal kommt mir der Gedanke, ihn zu verkaufen. Das wäre wohl das vernünftigste. Denn als Alleinerziehende Mutter, Vollzeitarbeitend ist das alles andere als leicht. Meine Freizeit geht für Stallarbeit drauf, dennoch tue ich es gerne. Nur bin ich sehr oft an dem Punkt, dass ich nicht mehr kann.
Ein eigenes Pferd zu haben war immer mein größter Wunsch. Ich habe lange gespart und viel dafür gearbeitet. Alles ganz genau bedacht und durchgerechnet. Sonst hätte ich ihn mir niemals gekauft.
Doch so eine unerwartete Situation kann alles durcheinander werfen.
Ich kämpfe täglich mit mir und weiß noch nicht wie es weitergeht. Mein Herz hängt sehr an ihn. Und wahrscheinlich würde ich es sehr bereuen jetzt einfach aufzugeben. Dafür war unser Weg einfach zu anstrengend und alles andere als normal.
LG Bea
Hallo Bea, bitte entschuldige, dass ich jetzt erst antworte. Ich war lange inaktiv und gehe gerade all die Kommentare durch, die mir entgangen sind. So eine unerwartete Situation kann jeden treffen. Ich hoffe, Du konntest mittlerweile eine gute Lösung für euch finden.
Liebe Sophie,
Das kenne ich zur genüge. Hier meine Geschichte. Reiten tue ich seit meinem 4ten Lebensjahr, damals mit meinem Papi Zuhause, in den Wald etc eben auf Freizeitniveau. Ich habe das geliebt es war unbekümmert und stressfrei und doch kam in mir der Wunsch dass Turnierreiten doch genau das wäre was ich machen möchte… Genauer gesagt Springreiten. Leider war mein Papi nicht so begeistert von dieser Idee und hat mich trotzdem mit unseren Pferden ( Endmassponys) etwas springen gelassen. Es war mein Ding. Der Nervenkitzel, der (mögliche) Erfolg etc. Leider ist mein Papi gestorben als ich 15 war und bevor ich mein erstes Turnier hätte reiten können. Meine Mutter und mein Stiefvater sahen dass das Turnierreiten mir am Herzen lag und unterstützen mich mit allem was sie hatten und so ging es los mit dem Springreiten. Kurz danach lernte ich meine ersten Freund, einen Profireiter auf damals drei-sterne Niveau kennen. So tauchte ich in die Welt des internationalen Sports ein. Ich sah die Besten der Besten und lernte wie man richtig Pferde reitet und versorgt. Ich war angekommen … glaubte ich jedenfalls. Das war die Welt in der ich leben wollte, egal wieviel Arbeit es machen sollte. Wir reisten von Italien über Russland und Marokko überall auf die grössten Turniere der Welt. JEDOCH wurde mein eigenes reiten nicht unbedingt besser. Ich liebte meine Pferde und gab alles (auf, sogar die Schule) um irgentwann meinen (EX)Freund auf diesem Niveau zu begleiten. Mir wurde jedoch immer wieder erzählt dass ich nicht das Zeug dazu hätte und nicht die notwendigen Mittel. Das brachte mich nicht aus der Fassung und ich machte weiter. Verkaufte manchmal Pferde und bildete jüngere aus um auch nur einmal auf einen zu stossen der mir zum grossen Erfolg verhelfen würde.
Ich arbeitete mir wortwörtlich die Hacken ab und vernachlässigte alles andere. Ich hatte keine Freunde ausserhalb des Reitens und keine anderen Interessen. Nach einer Zeit musste ich einsehen dass es auf Profiniveau nie ausreichen würde und ich ging zurück zur Schule um etwas „anständiges“ zu lernen. Denn man konnte ja mit einem Job auch ein guter Amateur werden, die reiten ja manchmal auch bis S. Ich kaufte 2 junge Pferde und machte mich erneut ans ausbilden neben der Schule. Die Motivation war gross denn ich hatte vieles geändert. Den Stall, den Trainer und einen neuen lieben Freund (heute mein Mann) hatte ich auch. Die Pferde liefen gut und ich ritt bis 1m30 jedoch nicht immer sehr erfolgreich. Viele werden sagen dass das alles sehr undankbar klingt jedoch wenn man den Ehrgeiz hatte in dieser Welt zu bestehen und man merkt dass man „nur“ unteres Amateurniveau reitet und der Erfolg nicht einmal ansatzweise mit der investierten Zeit und dem Geld, den Sorgen etc koherent geht, dann ist man frustriert. Genau da sind wir jetzt oder eher vor einem Jahr in der Geschichte angekommen. Nach 12 Jahren intensivem Turnierreiten bin ich am Ende… ich möcht nicht mehr… und so musste ich mir das erste Mal in meinem Leben die Frage stellen … Ist das wirklich mein Ding oder hab ich mir was vorgemacht??? Wenn das tägliche zum Pferd fahren (in meinem Fall 2 Pferde) eine Belastung wird und man für diese Belastung die eigenen Finanzen strapaziert dann läuft etwas gnadenlos falsch. So kommt es dass wir das erste mal seit 12 jahren wieder Buschreiter sind und alles wieder ein etwas normaleres Pensum ereicht hat. Die Moral von der Geschicht. Egal wie intensiv Ihr das macht es ist es nicht wert euch kaputt zu machen. Die Pferde fragen nicht danach jeden Tag trainiert zu werden. Sie „sind“ einfach und das solltet Ihr auch sein. Entschuldigt den langen Post aber das musst raus.
Vielen Dank für diesen langen Post! Das ist ein wahnsinnig spannender Einblick in eine ganz andere Pferdewelt als die in der ich mich bewege. Sowas finde ich immer unheimlich spannend. Ich kann mir vorstellen, wie frustrierend die Erkenntnis für Dich sein muss. Jeder hat ja Träume, auch wenn sie unterschiedlich sind, und wenn man sich irgendwann eingestehen muss, dass man vielleicht die falschen Träume gejagt hat, dann ist das etwas sehr schweres. Ich hoffe sehr, dass Du als Buschreiterin wieder die Freude an den Pferden findest und vielleicht einen glücklicheren Weg zu eurem ganz individuellen Erfolg.
Herzlichen Dank für diesen Bericht. Ich kenne diese Gefühle – und wie! Vor 2 Jahren ging mein Lebenstraum in Erfüllung, ein eigener Isländerwallach. 15 Jahre habe ich auf alles was irgendwie ging verzichtet um ausreichend Geld für den Kauf und auch einen grösseren Notfall auf der Seite zu haben. Welche Freude und Aufregung, als ich mich für mein Pony entschieden habe! Für mich das absolute Traumpferd und es entwickelte sich alles in die richtige Richtung. Bis diese „Profifrau“ kam und ohne unser Wissen oder gar Einverständnis ein sozial unverträgliches Pferd in unsere friedliche Herde stellte. Bis dahin wusste ich nicht, wie unverträglich ein Pferd sein kann (es kann nichts dafür, die Stute tut mir leid!). Die Stute ging grundlos auf alle Pferde los und verletzte meinen Wallach so schwer, dass ich vor der Entscheidung stand, ihn einschläfern zu lassen. Ich stand also vor meinem Pony und es blickte mich trotz Schmerzen aus vor Lebenswillen sprühenden Augen an. Er humpelte auf drei Beinen in Richtung Sattelkammer wo ich ihn immer hingestellt habe zum Satteln. Wie gern wäre er mit auf einen Ausritt gekommen! In der Klinik folgte eine detaillierte Untersuchung und ein sehr langes Gespräch mit dem zuständigen Chirurgen. Die Chancen waren schlecht, sehr schlecht. Aber auch er sah scheinbar diesen starken Lebenswillen und sagte mir, wenn es sein Pferd wäre, er würde es zumindest versuchen. Das wollte ich NIE! NIENIENIE!! Ich wollte kein Pferd, dem ich eine OP zumute, dass wochenlang eingesperrt wird und nach leidvollen letzten Tagen doch euthanasiert werden muss. Trotzdem hörte ich ausnahmsweise auf meinem Bauch, ich vertraute dem Chirurgen voll und ganz. Falls es gut kommen sollte, könnte er zumindest noch auf der Weide ein schönes Leben führen. Das Pony ist jung, er war erst 8. trotzdem, ich liebe dieses Pferd und wäre bereit gewesen, ihm den Unterhalt auf der Weide zu finanzieren solange es irgendwie geht. Die Zeit nach der OP war schrecklich. Das Pony kannte bis anhin nur Offenstall, nun wurde es 24 Stunden am Tag in einer vergitterten Boxe eingesperrt. Schon am Tag nach der OP fingen die nagenden Zweifel an, war das richtig, dem Pony das anzutun? Sein Unglück war deutlich sichtbar, der Frust und die Enttäuschung klar in seinen Augen sichtbar. Irgendwann gab er auf. Für mich war jedes Kontroll-Röntgen der absolute Horror und die folgende Erleichterung, dass es gut aussieht, hielt immer nur wenige Minuten an. Dazu kamen die Rückschläge, die mit Verstand gedacht, einfach dazu gehören, aber mich jedes Mal in ein tiefes Loch warfen. Die Gedanken, dass alles umsonst gewesen sein könnte. Das, was ich dem Tier angetan habe, seine Schmerzen und mein Hoffen und Bangen, die investierte Zeit, zweimal täglich zum Pferd zum versorgen, nach Monaten zum 5 Minuten Spazieren. Und nicht zuletzt das Geld. Für das investierte Geld hätte ich zwei neue, „gleichwertige“ Pferde kaufen können. Aber das wusste ich zu Beginn nicht – es hätte auch gut sein können, dass das Geld für drei oder noch mehr Pferde gereicht hätte. Diese Ungewissheit war eine zusätzliche Belastung, auch wenn darüber nicht geredet wird, es kann die eigene Existenz bedrohen. Und trotzdem, es hätte mir mein Pony nicht ersetzt und nicht zurück gegeben. Ich wäre mit einem „neuen“ Pferd nicht glücklich geworden, ständig die Frage im Raum, „was wäre wenn…“ Jetzt, nach 9 Monaten, steht er endlich wieder in seiner Herde. Die Heilung verläuft gut, ich versuche sogar vorsichtig ihn minutenweise wieder anzureiten. Eine Garantie habe ich nach wie vor nicht, diese wird erst die Zeit bringen- wenn nichts weiteres passiert. Ich weiss nicht, wie lange dieses Gefühl andauert und ob es jemals verschwindet. Die „sorglose Freude“ an meinem Pferd ist auf jeden Fall vorbei, wahrscheinlich für immer. Trotzdem geniesse ich jede Sekunde, in der ich mit ihm zusammen sein kann und er seine Lebensfreude zeigt. Ja, es hat sich geloht, durch dieses Tief zu gehen. Auch wenn die Narben nie komplett heilen werden, weder bei mir noch bei ich.
Ich wünsche allen, dass sie solche Momente nie erleben- aber trotzdem dieses tiefe Gefühl der Dankbarkeit für die gemeinsame Zeit empfinden können. Und ich verstehe jeden, der dem nicht gewachsen ist. Ich bin es auch nicht, aber ich hatte gute Unterstützung von meinem Mann und meiner Familie.
Liebe Lex,
was für eine furchtbare Geschichte, zum Glück mit Happy End. Ich kann Deine Zweifel und alles was Du geschrieben hast so gut verstehen. Soudi kannte ja auch keinen Stall. Er stand schon als Fohlen im Offenstall und die zwei Jahre vor dieser Geschichte stand er auf 9 Hektar in einer Herde. Er verstand die Welt nicht mehr. Dass ich jeden Tag da war, war für ihn aber der Fels in der Brandung und das war es für euch sicher auch. Nichtsdestotrotz zehrt das Bangen und Hoffen und auch die finanzielle und zeitliche Belastung unglaublich an den Kräften. Und so ein Erlebnis nimmt einem einfach ein gutes Stück Unbeschwertheit. Ich habe sehr lange gebraucht, um mich davon zu erholen. Ich kann Dir aber versprechen: Es wird besser. Es dauert, aber selbst die Leichtigkeit kommt zurück. Vielleicht nicht ganz so sehr wie vor so einem Erlebnis…aber sie kommt zurück.
Ich wünsche euch alles, alles Gute für eure weitere gemeinsame Zeit und hoffe, dass eure Zukunft unbeschwert und voller glücklicher Stunden miteinander ist!